Zella-Mehlis ist reich an Geschichte!
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Objekt des Monats Dezember 2021 – Honigkuchenmodel
Passend zur Weihnachtszeit haben wir in unserer Ausstellung zur Stadtgeschichte ein Holzmodel für Honigkuchen als Objekt des Monats Dezember 2021 herausgesucht.
Hölzerne Model dieser Art wurden vor allem vom 16. bis zum 18. Jahrhundert von Modelstechern angefertigt und dienten den Bäckern zur Herstellung von Feingebäck und Zuckerwerk.
Der Begriff „Model“ leitet sich vom lateinischen Wort „modulus“ ab und bedeutete im Mittelalter so viel wie Maß, Regel, Form, Vorbild und im heutigen Sinne Modul, Einheit.
Bekannt waren Gebäckmodel bereits in Mesopotamien, im alten Ägypten und in Griechenland. Auch fanden sie Anwendung in den Klosterbäckereien des Mittelalters, wo die Mönche oft Bienenstöcke pflegten und somit stets genügend Honig zum Süßen der Gebäcke vorrätig hatten.
Ab dem 15. Jahrhundert oblag die Herstellung von Konfekt und Marzipan den Apothekern. Aus Apotheker-Rechnungen dieser Zeit geht hervor, dass zu besonderen Anlässen Marzipane (Zuckerbilder) mit entsprechenden Geschenkschachteln für die feinen Herrschaften gefertigt wurden. Marzipan war zu der Zeit etwas sehr Besonderes und somit nur den wohlhabendsten Bürgern vorbehalten. Für die anderen gab es eine billigere Marzipanersatzmasse ohne Mandeln, die aber ebenfalls sehr beliebt wurde.
Auch Pfeffer- oder Lebkuchen, welche im 15. Jahrhundert bereits berühmte Spezialitäten waren, wurden durch die Apotheker hergestellt und fanden weite Verbreitung.
Formmodel für Gebäck wurden im 16. Jahrhundert durch die Stadt- und Hofbäcker gestaltet, erfahrene Modelstecher, die meist von Stadt zu Stadt und Auftrag zu Auftrag zogen, schnitzten die kunstvollen Model. Daher finden sich oft wiederkehrende Motive und gleiche Schnitztechniken an Formmodeln im ganzen thüringischen Raum.
Historische Darstellung des Formschneiders/Formernstechers
im Ständebuch von Jost Amman aus dem Jahre 1588.
In einer 1698 in Regensburg erschienenen Veröffentlichung mit dem Titel „Abbildung der Gemein-Nützlichen Hauptstände…“ von Christoff Weigel wird die Technik des Modelstechens wie folgt beschrieben: „… so pflegten sie zwar allerley hartes Holtz, fürnemlich aber das von Bux- und Birn-Bäumen, zu ihrer Arbeit auszuwählen; wann solches sehr glatt und rein gehobelt, wird es mit einem zartgeriebenen Kreiden-Grund ganz überstrichen, alsdann von dem Formschneider selbst, so er des Zeichnens kundig ist, oder aber einem in dem Schrafieren wohl geübten Mahler und Zeichner die beliebige Figur aufgerissen.“
Die ältesten Model waren aus Materialien wie Stein, Zinn oder Ton, doch durchgesetzt haben sich schließlich vornehmlich Model aus Holz. Dabei konnten nur bestimmte Hölzer, die z.B. eine dichte Struktur aufwiesen, aber trotzdem gut schnitzbar waren, als Grundlage der Model dienen. So nutzte man vor allem Birnen-, Pflaumen-, Kirsch-, Ahorn-, Apfel- und Nussbäume.
Unser Model trägt eine Signatur oder ein Handwerkerzeichen auf der Vorderseite eingeschnitzt: H E. Solche Zeichen sind bei vielen Formmodeln zu finden. Entweder eingeschnitzt, eingebrannt oder graviert lassen diese Zeichen Schlüsse auf die Hersteller oder aber auch auf die Eigentumsverhältnisse zu. Auch wenn diese Signatur bei den in unserer Sammlung vorhandenen Modeln häufiger vorkommt, ist sie leider nicht klar deutbar.
Marzipanmodel und Lebkuchen- oder Pfefferkuchen- bzw. Honigkuchenmodel sind unterschiedlich in ihrer Erscheinung. Marzipanmodel sind sehr viel feiner in ihren Linien und Ausprägungen und kleiner als die Honigkuchenmodel.
Unser Model ist ein Honigkuchenmodel und zeigt mit einem Reiter auf einem Pferd (Husaren) ein typisches Model-Motiv. Das Pfefferkuchenmodel wurde laut zugehöriger Objektkarte zur Herstellung von Spekulatius verwendet und stammt wahrscheinlich aus einer ehemaligen Zella-Mehliser Bäckerei, der Bäckerei Kirchner.
Die Motive der Gebäckmodel entsprangen der Bilderwelt der Zeit. So gab es verschiedene Alltagsmotive wie Jagdmotive oder Liebespaare, aber auch religiös geprägte Motive wie Fische als Symbol Christi oder Motive aus den jahreszeitlichen Festen. Als Weihnachtsgebäck waren z.B. „himmliche Heerscharen“ mit Laute, Horn und Posaune oder Tierdarstellungen und Ornamentik beliebte Motive.
In Thüringen war es im 18. und 19. Jahrhundert Brauch, dass die Kinder bei ihren Paten das Jahresweihnachtsgeschenk abgeholt haben. Dies war meist eine sogenannte „Pfefferkuchendogge“ (Puppe) für die Mädchen und für die Jungen ein „Pfefferkuchen-Reiter“.
„Pfefferkuchendogge“ (Puppe) für die Mädchen
Abgelöst wurden die Formmodel für Zuckerwerk und Feingebäck im 19. Jahrhundert durch den wechselnden Zeitgeschmack der Bevölkerung. So wurden Pfefferkuchen und Zuckerbilder nun allmählich von Schokolade und Eis ersetzt.
Übrigens verwirren uns die Begriffe Honigkuchen, Pfefferkuchen und Lebkuchen zuweilen gern.
Wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen den Gebäcken? Gibt es überhaupt einen Unterschied?
Sowohl Lebkuchen als auch Pfefferkuchen sind bei uns in der Vorweihnachtszeit beliebte Gebäcke. Beides sind traditionsreiche, besonders aromatische Dauergebäcke, bei denen es auf die verarbeiteten Gewürzmischungen ankommt.
Im ostdeutschen Raum, besonders in Sachsen, hat sich der Begriff „Pfefferkuchen“ überliefert. Im Mittelalter wurden einfach alle fremdländischen Gewürze unter dem Namen „Pfeffer“ zusammengefasst. Das eigentliche Gewürz „Pfeffer“ ist in den Pfefferkuchen gar nicht vorhanden.
Der west- und süddeutsche Raum mit seinem Zentrum Nürnberg hingegen ist die Heimat der Lebkuchen. Dieser Begriff geht wohl wieder einmal auf das Lateinische zurück, wo das Wort „libum“ soviel wie Fladen oder Kuchen bedeutet. Bereits für die Klosterbäckereien des Mittelalters ist die Herstellung von „Lebkuchen“ urkundlich erwähnt worden sowie später die gewerblichen Lebküchler oder Lebzelter. Auch in Zella-Mehlis gab es eine Lebkuchenfabrik – die beliebten Anschütz Lebkuchen der Fa. Albert Anschütz/ VEB Thüringer Lebkuchenfabrik.
Eine weitere Bezeichnung ist das Wort „Honigkuchen“. Diese stammt daher, weil Honig eine traditionelle Zutat von Lebkuchen ist.
Und nun freuen wir uns also wie die Honigkuchenpferde (die ja nichts anderes sind als Lebkuchen in Pferdeform, wie unser Model) auf Weihnachten! (jk)
Die Mitarbeiter der Städtischen Museen Zella-Mehlis wünschen allen ein frohes, erholsames Weihnachtsfest und einen guten Start ins neue Jahr!
Historische Darstellung des Bäckers
im Ständebuch von Jost Amman aus dem Jahre 1588.
Glossar
Museum
"Ein Museum ist eine nicht gewinnorientierte, dauerhafte Institution im Dienst der Gesellschaft, die materielles und immaterielles Erbe erforscht, sammelt, bewahrt, interpretiert und ausstellt. Öffentlich zugänglich, barrierefrei und inklusiv, fördern Museen Diversität und Nachhaltigkeit. Sie arbeiten und kommunizieren ethisch, professionell und partizipativ mit Communities. Museen ermöglichen vielfältige Erfahrungen hinsichtlich Bildung, Freude, Reflexion und Wissensaustausch."
ICOM-Museumsdefinition 2023