Zella-Mehlis ist reich an Geschichte!
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Objekt des Monats Mai 2022 – Igelitschuhe
Nur wenige kennen sie noch – die Igelitschuhe! Dabei verbirgt sich dahinter eine interessante Geschichte, welche bis in unsere Tage reicht. Wo kommt der Name her? Die Geschichte der Kunststoffe beginnt um das Jahr 1900 als der Chemiker Leo Hendrik Baekeland einen Kunststoff auf der Basis von Phenolharz erfand. Das stabile, hitzeresistente Material wurde 1907 unter dem Namen Bakelit patentiert und war der erste industriell produzierte Kunststoff. Dieser Kunststoff war allerdings spröde und hart, sodass man intensiv nach Kunststoffen mit weicheren Materialeigenschaften suchte. In den 1930er Jahren fand man ein geeignetes Material auf der Basis von Acrylsäureester und Vinylchlorid, das Polyvinylchlorid – kurz PVC. Diesem wurde noch ein sogenannter Weichmacher, der sich später als krebserregend herausstellte, zugesetzt.
Produziert wurde dieser neue Kunststoff ab 1938 im Bitterfelder Werk der I. G. Farbenenindustrie AG und in Anlehnung an den Firmennamen hieß das Produkt Igelit. Das Material eignete sich hervorragend als Lederersatz für Schuhe, Taschen, Regenmäntel („Hast du Igelit im Haus, kannst du auch bei Regen raus“), Fußbodenbelag oder auch Verpackungsmaterial.
Eine elegante Version der Igelitschuhe für die Dame.
In den letzten Kriegsjahren und in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg diente es auch als Ersatz für Fensterglas. Darüber hinaus wurde Igelit in der Elektrotechnik als Isolation von elektrischen Drähten sowie in der Bauindustrie zur Abdeckung der Oberfläche von Schanzen, Pisten, Seilplattformen und Skiliften verwendet. Auch die bekannte Zella-Mehliser Erfindung – die berühmte Skisprungmatte – basiert auf diesem Kunststoff.
In der DDR war Igelit vor allem als Schuhmaterial berüchtigt, doch hielten die Kunststoffschuhe leider überhaupt nicht warm („Im Sommer heiß, im Winter kalt“) und die Sohlen brachen oft bei Kälte. Auch rochen die Füße nach kurzer Zeit unangenehm. Zu einem Zweck waren die Igelitschuhe aber besonders geeignet – man konnte damit wunderbar im Winter durch den Schnee schlittern.
Aus Bitterfeld kam nicht nur dieser praktische Kunststoff. Die Abfallprodukte der Igelit-Produktion eigneten sich zur Herstellung von Speisewürze, die unter dem Namen BINO bekannt wurde. Der Name ist aus dem Herstellungsort, Elektrochemisches Kombinat Bitterfeld-Nord – kurz BINO, abgeleitet. In Abwandlung eines Werbespruches hieß es damals im Volksmund: „Koche mit Liebe, würze mit BINO. Kriegste Dünnschiss und kannst nicht ins Kino“. Im Jahre 1952 wurde die Verwendung von Abfallprodukten der Igelit-Produktion für BINO-Produkte, wegen der krebsfördernden Wirkung, verboten. (ls)
Werbung aus den 1950er Jahren für das „Maggi“ des Ostens.
Glossar
Museum
"Ein Museum ist eine nicht gewinnorientierte, dauerhafte Institution im Dienst der Gesellschaft, die materielles und immaterielles Erbe erforscht, sammelt, bewahrt, interpretiert und ausstellt. Öffentlich zugänglich, barrierefrei und inklusiv, fördern Museen Diversität und Nachhaltigkeit. Sie arbeiten und kommunizieren ethisch, professionell und partizipativ mit Communities. Museen ermöglichen vielfältige Erfahrungen hinsichtlich Bildung, Freude, Reflexion und Wissensaustausch."
ICOM-Museumsdefinition 2023