Zella-Mehlis ist reich an Geschichte!

Die Museen der Stadt Zella-Mehlis vereinen mit dem Stadtmuseum in der Beschußanstalt », dem Technikmuseum Gesenkschmiede » und dem Heimatmuseum Benshausen » eine museale Erlebnis- und Bildungswelt in den Bereichen Stadtgeschichte, Kulturgeschichte, Industriegeschichte, Technikgeschichte und Volkskunde.
Erfahren Sie mehr über die Vergangenheit der Stadt, über deren Berühmtheiten, über Erfindungen, sportliche sowie technische Besonderheiten und lernen Sie Zella-Mehlis und Benshausen von einer anderen Seite kennen!
Viele meinen, nachdem sie ein Stadt- oder Heimatmuseum besucht haben, kennen sie alle, weil sie sich oft ähneln ... unsere Museen sind anders!  Kommen Sie uns besuchen und Sie werden überrascht sein, wie ein Museum sein kann, klar gegliedert, informativ, interessant gestaltet ... und Sie werden dann wissen, was die Welt ohne Zella-Mehlis wäre – undenkbar!

Neuigkeiten

Objekt des Monats Oktober 2022 – Der Treibriemen

ODM Treibriemen

Treibriemen in der Großen Schmiedehalle der Gesenkschmiede

Ohne unser aktuelles Objekt des Monats gäbe es das Technikmuseum in Zella-Mehlis nicht, denn er ist ein zentraler Baustein der Industrialisierung und damit auch der Gesenkschmiede. Ohne ihn hätte auch die Stadt insgesamt im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts nicht ihre wirtschaftliche Bedeutung erlangt.

Ohne unser aktuelles Objekt des Monats gäbe es das Technikmuseum in Zella-Mehlis nicht, denn er ist ein zentraler Baustein der Industrialisierung und damit auch der Gesenkschmiede. Ohne ihn hätte auch die Stadt insgesamt im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts nicht ihre wirtschaftliche Bedeutung erlangt.

Mercedes Bohrerei
Mercedes-Büromaschinen-Werke, Bohrerei in Mehlis um 1920

Ansätze der Kraftübertragung – Stichwort Transmission – gab es schon seit der Antike und im alten China. Bedeutung gewannen sie aber so richtig erst mit der industriellen Revolution im 18. und 19. Jahrhundert. Die entfesselten Kräfte, wie die der Dampfmaschine, sollten weitgehend verlustfrei auf möglichst viele Maschinen verteilt und zur Fertigung genutzt werden.

Ein einfaches, kostengünstiges Mittel der Wahl mit einem Wirkungsgrad von über 98 % waren Treibriemen. Vergleichsweise lange Wege von Antrieb zum Einsatzort konnten mit geringem Materialeinsatz überbrückt werden. Von einem zentralen Antrieb wurde die Kraft in der Regel mit Flachriemen auf eine Antriebswelle übermittelt. Diese war meist, wie auch in der Gesenkschmiede, an der Hallendecke angebracht. Darauf montierte Riemenscheiben übertrugen wieder per Flachriemen die Kraft auf die Riemenscheibe der jeweiligen Maschine. Je nach Durchmesser der Scheiben konnte die Drehzahl individuell eingestellt werden.

Riemengetriebe arbeiten ruhig und leise, auch bei hohen Drehzahlen. Flachriemen sind wartungsarm und durch den Riemenschlupf kurzzeitig sogar überlastfähig.

Als Material für Flachriemen hat sich über lange Zeit Leder bewährt. Es ist zwar empfindlich gegen äußere Einflüsse wie Temperatur, Feuchtigkeit und Schmutz und dehnt sich mit der Zeit, was regelmäßiges Nachspannen erforderlich macht. Dennoch hat es eine gute Haftreibung und war durch Sattler leicht zu beschaffen und ersetzen. Heute werden Flachriemen immer noch produziert und genutzt, häufig aber aus Kunststoff oder gummibeschichteten Geweben hergestellt.

Um ein Endlosband zu fertigen, mussten die Enden der Lederstreifen geschäftet und geklebt, mit Lederstreifen vernäht, geklammert oder verschraubt werden.

Verbinder
Riemenverbindungen: geschäftet, geschraubt, geklammert, genäht

Bei genauer Betrachtung finden sich sowohl in der Gesenkschmiede als auch im Stadtmuseum in der Beschußanstalt Beispiele der verschiedenen Verbindungstechniken. Die starken, schweren Riemen der Brettfallhämmer sind verschraubt. Dünnere, schwächere Riemen sind oft geklammert. Diese Schlossklammern wurden seriell produziert und auf Pappstreifen ausgeliefert. Mittels einer in den Schraubstock einzuspannenden Apparatur konnten sie an den Enden der Flachriemen angebracht und diese dann mit einem durchgeschobenen Stift verbunden werden. Das wie auch verschiedene Verbindungstechniken gleich an einem Riemen werden anschaulich in der Kleineisenwaren-Schauwerkstatt im Stadtmuseum gezeigt.

Die Laufflächen der Riemenscheibe musste bei Flachriemen leicht ballig geformt sein, um ein Abrutschen zu verhindern. Aus diesem Grund wurden mit der Zeit Keil- und Keilrippenriemen eingeführt, hier sitzt der Riemen fest in der Vertiefung des Rades. Auch Zahnriemen rutschen nicht so leicht ab und haben keine Verluste durch Schlupf, sie arbeiten formschlüssig. Keil- und Zahnriemen sind jedem Autobesitzer ein Begriff und gute Beispiele für die aktuelle Nutzung von Riemengetrieben.

Ein Nachteil von Riemengetrieben ist die Verletzungsgefahr. Immer wieder gab es Unfälle durch Kleidung oder Haare, die sich zwischen Riemen und Antriebsrädern verfingen. Auch wenn der Flachriemen während des Betriebes vom Rad absprang, kam es zu Schäden und Verletzungen. Aus diesem Grund sind Riemengetriebe heute vorschriftsmäßig unzugänglich eingehaust. Lediglich in Museen, wie beispielsweise in der Gesenkschmiede, kann man die Funktionsweise noch betrachten.

Durch unterschiedliche Riemenführungen wurden die Kräfte dorthin übertragen, wo man sie benötigte und dazu in die richtige Richtung gelenkt. Für den Antrieb der großen Brettfallhämmer brauchte man je einen gekreuzten und einen offenen Riemen, um gegenläufige Walzenbewegungen zu erzeugen. Die Walzen wiederum schoben mit dieser Drehbewegung das zwischen ihnen eingeklemmte Brett nach oben. Beim Auslösen des Hammers fiel das Brett mit dem Obergesenk (Bär) nach unten und presste das glühende Werkstück in die Form.

Mittels halbgekreuzter – geschränkter – Riemenführung ließ sich die Antriebsrichtung um 90° ändern. Das machte man sich, zweifach geschränkt, vor allem bei Bohrmaschinen zunutze.

Bohrmaschine
Mehrfachbohrmaschine mit geschränkten Riemen in der Gesenkschmiede

Durch Auflegen der Treibriemen auf Räder unterschiedlicher Durchmesser lässt sich das Drehmoment einer Maschine ändern. Typischerweise werden bei Flachriemen Stufenscheiben verwendet, um die Maschine bei gleicher Drehgeschwindigkeit des Antriebs schneller oder langsamer laufen zu lassen.

Übersetzung
Stufenscheiben

Beispiele von geschränkter Riemenführung und Stufenscheiben finden sich allenthalben in der Gesenkschmiede.

Seit der Entwicklung kleiner leistungsfähiger Elektromotoren und mit der allgemeinen Elektrifizierung um 1900 ist die Kraftübertragung von einer zentralen Stelle auf viele nicht allzu weit entfernte Abnehmer überflüssig geworden und meist durch den Einzelantrieb abgelöst worden.

Umso spannender ist es, Flachriemen und Riemengetriebe als Zeugnisse der Technikgeschichte in Aktion erleben zu können. Die Schmiedefamilie Wahl produzierte noch bis 1985 mit dieser Methode ihre Gesenkschmiedeteile. Im Technikmuseum Gesenkschmiede ist der damalige Stand der Technik noch weitgehend unverändert erhalten und kann zu besonderen Anlässen vorgeführt werden. Auch im Stadtmuseum gibt es verschiedene Riemengetriebe zu bewundern – und wenn es sich „nur“ um ein Spinnrad handelt. (ms)