Zella-Mehlis ist reich an Geschichte!

Die Museen der Stadt Zella-Mehlis vereinen mit dem Stadtmuseum in der Beschußanstalt », dem Technikmuseum Gesenkschmiede » und dem Heimatmuseum Benshausen » eine museale Erlebnis- und Bildungswelt in den Bereichen Stadtgeschichte, Kulturgeschichte, Industriegeschichte, Technikgeschichte und Volkskunde.
Erfahren Sie mehr über die Vergangenheit der Stadt, über deren Berühmtheiten, über Erfindungen, sportliche sowie technische Besonderheiten und lernen Sie Zella-Mehlis und Benshausen von einer anderen Seite kennen!
Viele meinen, nachdem sie ein Stadt- oder Heimatmuseum besucht haben, kennen sie alle, weil sie sich oft ähneln ... unsere Museen sind anders!  Kommen Sie uns besuchen und Sie werden überrascht sein, wie ein Museum sein kann, klar gegliedert, informativ, interessant gestaltet ... und Sie werden dann wissen, was die Welt ohne Zella-Mehlis wäre – undenkbar!

Neuigkeiten

Objekt des Monats März 2023 – Zellaer Kornmaß

Zellaer Kornmaß

„Wir schreiben das Jahr 1844. In einem Gasthaus im „Grenzgebiet“ sitzen vier Bauern zusammen und unterhalten sich über ihre Landwirtschaft. Der Wirt kannte alle vier sehr gut. Als man nun in der Runde ein Maß Bier bestellte, machte der Wirt sich einen Spaß und stellte jedem sein Maß hin. Dabei erhielt der Gothaer Bauer einen Krug mit 0,9 Liter, der Langensalzaer einen mit 1,1 Liter und der Nordhäuser eine 2,2-Liter-Kanne. Am besten schnitt der Bauer aus Dornburg ab; er bekam eine Kanne mit 11,4 Liter Inhalt.“ (Rockstuhl 1997, S. 5)

Bei unserem Objekt des Monats könnte es sich auf den ersten Blick um ein Bier-Maß handeln, die Inschrift bezeichnet es aber als Korn-Maß aus dem Jahr 1637, beziehungsweise 1681. Die Situation beim Abmessen des Korns war jedoch obiger Wirtshaus-Szene vergleichbar.

Die Maßeinheiten – besonders im herrschaftlich sehr heterogenen heutigen Thüringen – variierten von Verwaltungseinheit zu Verwaltungseinheit, teils von Ort zu Ort. Unterschieden wurde daneben zwischen amtlichen Maßen, die bei Behörden gebräuchlich waren, und in der „Privatwirtschaft“ üblichen Marktmaßen. Trockenware/Schüttgut wie Getreide wurde nicht abgewogen, sondern als Raum- bzw. Hohlmaß bemessen. Da nicht jedes Korn gleich ist gab es auch hier unterschiedliche Maße. „Das Wintergemäß, auch Kornmaß oder Maß für glatte Frucht wird für Roggen, Weizen und Hülsenfrüchte gebraucht. Das Sommergemäß, Hafermaß oder Maß für raue Frucht diente zum Messen von Gerste, Hafer und Dinkel (Spelt).“ (Langhof 2006, S. 5) Bezeichnungen verschiedener Maßeinheiten für Getreide waren Malter, Metzen, Scheffel, Köpfchen, Nösel, Simmer oder eben das Maß, bzw. Mäßchen.

Zellaer Kornmaß
Eichmaß von vorn

Beschriftet ist unser Objekt des Monats mit:

„ANNO 1681 NACH EICHUNG DES IM 1637 JAHRS IN WASTER WIEL AB GEHOLTEN EICHMACHS EICHMAS ZUM KORN GEMES ZELLA ST. BLASII“.

Leider lässt sich die Aufschrift auf dem Gefäß nicht eindeutig entschlüsseln. Besonders der Begriff „in WASTER WIEL abgeholten“ bleibt unklar. Handelt es sich um einen Ort oder einen Begriff?

Ein vergleichbarer Ortsname (vielleicht in der Schweiz?) hat sich auch nach intensiver Suche nicht finden lassen. Aufschluss könnte das Beiblatt der Inventarkartei geben: „Versuch einer Übertragung: Anno 1681 erfolgte eine Nacheichung des im 1637 Jahr in Waster Wiel VAS TER VIL (mit dreimal verbürgter Sicherheit billig abgeholten) EICHMACHS (geeichtes Maß) Eichmaß zum Korn messen, gemäß den geltendem Maß Zella St. Blasii. (Mit der Verlegung des Amtes Schwarzwald 1642 nach Zella St. Blasii wurden automatisch auch die gothaischen Maßeinheiten übernommen.)“ (Kartei zu Inv. Nr. 515, Stadtmuseum Zella-Mehlis) Aus dem Lateinischen, das 1681 sicherlich noch Amtssprache war, kann man versuchen zu übertragen: vas (lat.) = Gefäß (oder Bürge); ter (lat.) = dreimal; vil (lat.) = ? vilicus = Verwalter, Amtmann.

Das massive, schwere und vollständig aus Bronze gefertigte Messgefäß mit Griff ist 16 cm hoch und hat einen Durchmesser von 11,5 cm. Das Museumsteam hat das Maß ausgelitert und einen Inhalt von maximal 1,4 l Wasser bestimmt. Sein hochwertiges Material unterstreicht den amtlichen Charakter des offiziell geeichten Maßes. Kornmaße in Privatgebrauch waren oft aus Holz gefertigt und nur manchmal zusätzlich mit Eisen beschlagen.

Hölzerne Getreiedmaße
Hölzerne Getreidemaße mit Eichstempel

Hilfmittel
Hilfsmittel: Getreidesack und -schaufel, Holzrakel zum Abstreichen der Getreidemaße

Unser Objekt des Monats ist im Jahr 1637 zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges hergestellt worden. Bis zu seiner letztmaligen Eichung 1681 wechselten auf dem heutigen Stadtgebiet Zella-Mehlis mehrfach die Herrschaftsverhältnisse. Ab 1642 wurden Zella St. Blasii und Teile von Mehlis durch das neu errichtete Amt Schwarzwald verwaltet, der ganze Ort Mehlis dann erst ab 1661. Es ist zu vermuten, dass nach der Erbteilung des Landes Sachsen-Gotha – Zella und Mehlis bleiben bei der Hauptlinie bei Herzog Friedrich I. von Sachsen-Coburg-Altenburg – auch amtliche Eichmaße nachjustiert und vereinheitlicht wurden.

Die oben beschriebene Maßverwirrung in deutschen Landen endete erst mit der Standardisierung der Maße im Dezimalsystem durch Frankreich. Vorher waren nicht nur Getreide-, sondern auch Längen-, Flächen-, Volumen-, Gewichts- und Holzeinheiten umzurechnen. So existierten auf dem Gebiet des späteren Deutschen Reiches bis 1870 noch etwa 300 unterschiedliche Flächenmaße. Auf dem heutigen deutschen Staatsgebiet waren zudem viele unterschiedliche Währungen im Umlauf. Beliebte Umrechnungszahlen basierten auf hochzusammengesetzten Zahlen wie dem „Duzend“, also der Zahl Zwölf, Vielfachen von Zwölf oder Teilern von Zwölf. Händler, besonders Fernhändler, müssen wahre Rechenkünstler gewesen sein.

Kaufmann mit Getreidemaßen
Darstellung eines Kaufmanns mit Getreidemaßen (1695, Hausbücher der Nürnberger Zwölfbrüderstiftungen)

Im Metrischen System – gleichzeitig ein Dezimalsystem – bauen viele der Maßeinheiten aufeinander auf und lassen sich voneinander ableiten, z. B. entspricht ein Kubikdezimeter einem Liter und ein Liter Wasser wiegt ein Kilogramm. Dieses Metrische System wurde am 1. Januar 1872 in ganz Deutschland verbindlich eingeführt und hat sich bis heute bewährt.

Umrechnen war für viele heute lebende Personen nur noch zur Währungsunion nach der Wende und bis nach Einführung des Euro nötig. Mit diesem entfällt sogar das Umrechnen bei Reisen ins benachbarte Ausland. Lediglich Fernreisen in Länder wie die USA erfordern noch ein Umdenken, da diese sich in den meisten Maßeinheiten beharrlich dem metrischen System verweigert.

Leider verweigert sich auch das Ergebnis des Ausliterns unseres Zellaer Kornmaßes allen Rechnungen es in bekannte und verbürgte Maßeinheiten der Region einzufügen. Grob gerundet könnte es sich um ein halbes Sachsen-Gothaisches Mäßchen á 2,73 l handeln.

Da uns vom vielen Hin- und Herrechnen schon der Kopf raucht – vielleicht sind wir es heute in Zeiten von Taschenrechner, Computer und Smartphone einfach nicht mehr gewohnt – dürfen jetzt Sie, als Leser und Museumsbesucher, sich den Kopf darüber zerbrechen. (ms)

Quellen:

Rockstuhl, Harald und Werner (1997): Handbuch Alte Thüringische, Preußische, Sächsische und Mecklenburgische Maße und ihre Umrechnung, Bad Langensalza

Thüringisches Staatsarchiv Rudolstadt (2006): Münzen, Maße und Gewichte in Thüringen Hilfsmittel zu den Beständen des Thüringischen Staatsarchivs Rudolstadt (Online-Version)