Zella-Mehlis ist reich an Geschichte!
Neuigkeiten
Objekt des Monats Dezember 2023 – Kerzentauchbehälter
Weihnachten steht wieder einmal vor der Tür. Allerorts wird die Adventsdekoration herausgeholt. Alles funkelt und glitzert. Und seit jeher erhellen Kerzen die Räume und Fenster und tauchen alles in ein gemütliches, warmes Licht.
Unser Objekt des Monats Dezember steht in der Dauerausstellung im Bereich der Heimatstube.
Es handelt sich dabei um einen Kerzentauchständer, den das Stadtmuseum als Leihgabe erhalten hat.
Der Keramikbehälter ist oval geformt und weist am oberen Rand eine Rauchwulst auf mit ausgezogenen, unten angesetzten Bandhenkeln, von denen einer allerdings bereits fehlt.
Der Boden ist breit gezogen, um eine gute Standfläche zu erreichen und über die Frontfläche verlaufen überschneidend angedrückte Streifen, die am Boden in angedeutete Füße übergehen.
Der Rand und das Innere des Behälters sind ockerfarben glasiert.
Der gesamte Behälter weist leider bereits einige Beschädigungen auf, die der Nutzung als Gebrauchsobjekt geschuldet sind und heute von der langen Geschichte des Kerzenziehens zeugen.
Die konkrete zeitliche Einordnung ist schwierig. Auf den beiden Breitseiten des Behälters kann man zwar eine Beschriftung erkennen, jedoch handelt es sich dabei wahrscheinlich nicht um Jahreszahlen, sondern um Buchstaben und Zahlenkombinationen (eine Seite: B K; andere Seite: j.6 SS J st). Im Mittelalter war wohl die Blütezeit des Kerzen- bzw. Lichtziehers. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hatte der Beruf noch weite Verbreitung. Unser Kerzentauchbehälter ist etwa ans Ende des 18., bzw. an den Anfang des 19. Jahrhunderts einzuordnen, denn mit dem Aufkommen der Industrialisierung (ca. ab 1840) verlor der traditionelle Handwerksberuf seine Bedeutung, da ab dann auch Kerzen mehr und mehr in großen Mengen maschinell hergestellt werden konnten.
Auf den Behälter aufgesetzt ist ein Stock, an welchem die Dochte der Kerzen befestigt werden.
Unsere Kerzen dienen der Anschauung und waren nicht Teil der Leihgabe. Sie wurden jedoch extra für die Ausstellung in historischer Herstellung gezogen.
Zum Kerzenziehen wurde der Behälter früher mit flüssigem Talg befüllt und auf den heißen Ofen gestellt, wovon heute noch dunkle Verfärbungen am Behälterboden zeugen. Dann wurde der Stock mit den Dochten daran immer wieder eingetaucht und herausgezogen, bis die gewünschte Dicke der Kerzen erreicht war.
Ja, Sie haben richtig gelesen, es wurde nur sehr selten Wachs zur Kerzenherstellung benutzt, sondern Talg. Wachs war sehr lange Zeit ein zu wertvolles Gut und war dem einfachen Volk nicht zugänglich. Da aber fast jede Familie Tiere hielt, wurde nach dem Schlachten das tierische Fett (auch Unschlitt, mundartlich Uenschlich: von Wiederkäuern gewonnenes, festes Körperfett), ein Schlachtabfallprodukt, nicht weggeworfen, sondern für die Kerzen verwendet. Das rußte zwar sehr und die so hergestellten Kerzen brannten auch schneller herunter, aber man hatte Licht in der Dunkelheit.
Wachskerzen fanden früher lediglich in den Kirchen Anwendung.
Tatsächlich gibt es auch heute noch den Beruf des Wachsziehers, jedoch gehört er zu den aussterbenden Berufen, wie z.B. auch der Köhler, der in unserer Region früher sehr häufig anzutreffen war. Heute gibt es in Deutschland nur noch weniger als 100 Wachszieher-Meister.
Auftraggeber der hiesigen Kerzenindustrie sind noch immer vor allem Kirchgemeinden oder auch die Gastronomie. Es gibt Kerzenhersteller und Wachsbildner, beide Berufe sind eng miteinander verbunden, doch gibt es auch Unterschiede. So arbeiten die Wachsbildner noch deutlich mehr händisch und künstlerisch als die Kerzenhersteller.
Übrigens werden seit der Corona-Pandemie wieder deutlich mehr Kerzen gekauft, als die Jahre zuvor. Der Zwang, zuhause bleiben zu müssen, hat die Menschen offensichtlich wieder für Gemütlichkeit im eigenen Umfeld sensibilisiert. Und jetzt in der Vorweihnachtszeit schmeckt der Lebkuchen zum Kaffee ja sowieso noch besser bei flackerndem Kerzenschein.
Das Team der Städtischen Museen Zella-Mehlis wünscht frohe Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr!
Die Museen haben wie gewohnt auch zu den Feiertagen für ihre Besucher geöffnet, nur am 24.12., 31.12. und 1.1. bleiben die Einrichtungen geschlossen. (jk)
Glossar
Museum
"Ein Museum ist eine nicht gewinnorientierte, dauerhafte Institution im Dienst der Gesellschaft, die materielles und immaterielles Erbe erforscht, sammelt, bewahrt, interpretiert und ausstellt. Öffentlich zugänglich, barrierefrei und inklusiv, fördern Museen Diversität und Nachhaltigkeit. Sie arbeiten und kommunizieren ethisch, professionell und partizipativ mit Communities. Museen ermöglichen vielfältige Erfahrungen hinsichtlich Bildung, Freude, Reflexion und Wissensaustausch."
ICOM-Museumsdefinition 2023