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Objekt des Monats September 2024 – Anerkennungsurkunde
Das Objekt des Monats September ist diesmal etwas außergewöhnlich, denn es wird künftig nicht mehr in der Dauerausstellung des Stadtmuseums zu sehen sein. Eigentlich ist es sogar ein zweites Objekt des Monats, denn es musste ein Ersatz gefunden werden.
Das Museumsteam ist ständig bemüht, neue Erkenntnisse in die bestehende Ausstellung einfließen zu lassen. Manchmal spielt dabei auch der eine oder andere Anstoß von außen eine gewisse Rolle, der dazu führt, dass man sich bestimmte Objekte noch einmal genauer anschaut. Nun, in diesem Fall war der ganze Stolz weg und es zeigte sich, wie wichtig es ist, genau hinzuschauen. Wie kam es dazu?
Anfang des Jahres 2022 fiel einem Herrn aus Dortmund beim Aufräumen eine Broschüre zum 100-jährigen Jubiläum des Arbeitgeberverbandes der Metall- und Elektroindustrie Düsseldorf und Umgebung e.V. in die Hände, in der ihm ein Porträt von Heinrich Ehrhardt besonders auffiel.
Das Porträt aus dem Jahre 1926 zeigt Heinrich Ehrhardt mit all seinen Auszeichnungen
Das Porträt zeigt den greisen Heinrich Ehrhardt, geschmückt mit all seinen Orden und Ehrenzeichen. Das weckte den Forscherdrang des Herrn und er beschloss spontan, sich näher mit dem Industriellen zu beschäftigen, denn Orden und Ehrenzeichen waren als Mitglied des Phaleristikvereins quasi sein Steckenpferd. Seine Quellensuche führte ihn in zahlreiche Archive und Museen und so kam er natürlich auch mit unserem Museum in Kontakt.
Das Ergebnis seiner Forschungen zu Heinrich Ehrhardt wurde in einem umfangreichen Artikel in der Zeitschrift „Orden und Ehrenzeichen, Das Magazin für Freunde der Phaleristik“, der Mitgliederzeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Ordenskunde e. V., veröffentlicht.
Einige seiner Auszeichnungen sind im Original oder als Kopie in der Ausstellung unseres Museums zu sehen. Dazu gehören u.a. eine Treibarbeit von A. Schlütter als Ehrengeschenk des Stadtrates von Zella St. Blasii anlässlich seiner Ehrenbürgerschaft 1910, die Urkunde über die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Technischen Hochschule Hannover und andere.
Auch wenn der Schwerpunkt der Recherchen auf den Orden lag, wurden natürlich auch die anderen Ehrentitel und Auszeichnungen recherchiert. So fand sich in der Heinrich-Ehrhardt-Ausstellung auf der Tafel zu seinem beruflichen Werdegang an prominenter Stelle eine Anerkennungsurkunde des „Collegiate and Polytechnical Institute in Brooklyn/USA“ aus dem Jahre 1871 als beredtes Zeugnis der internationalen Anerkennung seiner Person, sogar in den Vereinigten Staaten von Amerika! Schon vorher gab es den leisen Verdacht, dass diese Urkunde vielleicht gar nichts mit unserem Heinrich Ehrhardt zu tun haben könnte. Aufgrund der nun konkreten Anfrage im Rahmen der Ordens- und Ehrenzeichenforschung wurde die Urkunde nochmals genauer analysiert. Wir konnten nun definitiv feststellen, dass sie leider tatsächlich nicht mit unserem Heinrich Ehrhardt in Verbindung gebracht werden kann.
Die Anerkennungsurkunde, Brooklyn/USA 1871.
Bei genauerem Hinsehen hätten die Unstimmigkeiten schon bei der Konzeption und Umsetzung der Dauerausstellungen auffallen können. Aber die Urkunde aus den USA mit dem Porträt von George Washington, ausgestellt auf den Namen „Erhart“, hat doch einen gewissen Eindruck hinterlassen. Im Folgenden soll diese Urkunde näher betrachtet werden.
Transkription der Urkunde
Die ausstellende Institution, das „Collegiate and Polytechnical Institute in Brooklyn“, ist eine der Wurzeln der heute noch bestehenden „New York University Tandon School of Engineering“. Die „Anerkennungsurkunde“ ist ihrem Text nach eine Auszeichnung (Award), die Cha(rle)s. H. Erhart für Pünktlichkeit (Punctuality of Attendance), Sorgfalt im Studium (Diligence in Study) und Anstand im Verhalten (Propriety in Deportment) verliehen wurde. Die Urkunde wurde am 20. Juni 1871 ausgestellt.
Der „falsche“ Name auf der Urkunde
Theoretisch könnte Heinrich Ehrhardt, geboren 1840, die Auszeichnung erhalten haben, wenn man von der unterschiedlichen Schreibweise des Namens „Erhart“ statt „Ehrhardt“ absieht. Es ist jedoch nicht bekannt, dass er sich jemals in den USA aufgehalten hat, insbesondere nicht zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn. Er war zu dieser Zeit anderweitig beschäftigt und hätte allenfalls ein „Fernstudium“ an besagtem „Institut“ absolvieren können. Lediglich sein ältester Sohn Gustav, geboren 1968, hielt sich ab 1888 einige Zeit in Amerika auf, wo auch mehrere seiner Kinder geboren wurden. Er studierte an der Western University in Pittsburgh, wo er sich für Automobile zu interessieren begann. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland ernannte ihn sein Vater 1896 zum Direktor der Eisenacher Fahrzeugfabrik. Für das Jahr 1871 kommt auch er nicht in Frage. Es besteht also kein näherer Zusammenhang zwischen dem Dokument und Heinrich Ehrhardt aus Zella St. Blasii.
Laut den Notizen auf der Urkundenkartei stammt die Urkunde von einem Herrn aus Hallstatt, wurde uns im Januar 1993 von einem Herrn aus Suhl als Schenkung übergeben und soll aus dem Besitz einer Baronin stammen, die mit Heinrich Ehrhardt in Verbindung stand. Alles etwas mysteriös, aber sicher nicht in böser Absicht.
Recherchiert man in genealogischen Verzeichnissen, die im Internet zugänglich sind, findet man den Namen „Erhart“ im 19. Jahrhundert in Brooklyn mehrfach, z.B: „Charles Huntington Erhart“ oder „Charles Herman Erhart“, womit das „Chas. H.“ Sinn macht. Da ein weiterer Verbleib dieses Dokumentes in der Ausstellung nicht mehr toleriert werden konnte, musste ein adäquater Ersatz gefunden werden, um das Gesamtbild zu erhalten.
So wurde intensiv in der Ehrhardt-Sammlung des Stadtmuseums nach einer Alternative gesucht und gefunden! Künftig wird ein Foto der Präsentation der Rhein-Metall AG auf der Jahrtausendausstellung in Köln 1925 die fragwürdig gewordene Urkunde ersetzen.
Präsentation der Rhein-Metall AG auf der Jahrtausendausstellung in Köln 1925 mit Heinrich Ehrhardt im Mittelpunkt. Es war zugleich eine Würdigung seines Lebenswerkes anlässlich seines 85. Geburtstages.
Was war die „Jahrtausendausstellung“ für eine Schau? Der Versailler Friedensvertrag von 1919 sah unter anderem die vorübergehende Besetzung der linksrheinischen Gebiete Deutschlands vor. Nach dem – in Deutschland ohnehin als unrechtmäßig empfundenen – Friedensvertrag löste die französische Deutschlandpolitik auf deutscher Seite Befürchtungen aus, das Rheinland könne vom Deutschen Reich abgetrennt und Frankreich einverleibt werden. Die belgisch-französische Besetzung des Ruhrgebiets im Januar 1923 wegen ausbleibender deutscher Reparationszahlungen trug ebenso dazu bei wie die französische Kulturpolitik einer „friedlichen Durchdringung“ des besetzten Gebietes. Neben dem „Ruhrkampf“ verschärften die Hyperinflation des Jahres 1923 und die separatistischen Putsche im Herbst die Unsicherheit über die politische Zukunft des Rheinlandes.
In diesem Spannungsfeld entstanden Pläne für eine geschichtspolitische Operation, die die „untrennbare“ Verbundenheit der besetzten Gebiete mit dem deutschen Staat zum Ausdruck bringen sollte. Man griff weit in die Geschichte zurück, um die nationale Zugehörigkeit zu begründen. Schon 1922 hatte der Düsseldorfer Archivdirektor Paul Wentzcke auf der Hauptversammlung der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine in Aachen erklärt, es gebe Grund, 1925 ein „tausendjähriges Reichsjubiläum“ zu feiern. Als zu feierndes historisches Ereignis betrachtete er die im Jahre 925 vollzogene Eingliederung des mittelfränkischen Lotharingien in das ostfränkische Reich unter König Heinrich I. Die Bedeutung des Jahres 925 blieb unter Historikern umstritten. Dennoch wurde das Ereignis zum willkommenen Anlass. Anfang 1923 begannen in Köln die Planungen für eine Jahrtausendfeier. Der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer nutzte seine hervorragenden politischen Beziehungen, um die zuständigen Gremien von diesem Vorhaben zu überzeugen. Schließlich wurden die Jubiläumsfeierlichkeiten im Jahr 1925 mit zahlreichen Festakten, Umzügen und eben besagter Jahrtausendausstellung begangen. Vom 16. Mai bis zum 15. August 1925 wurden auf dem Kölner Messegelände über 10.000 Exponate präsentiert. Alle großen Industrieunternehmen des Rheinlandes waren mit eigenen Pavillons und Kabinetten vertreten, so auch die Firma Rhein-Metall. (ls)
Glossar
Museum
"Ein Museum ist eine nicht gewinnorientierte, dauerhafte Institution im Dienst der Gesellschaft, die materielles und immaterielles Erbe erforscht, sammelt, bewahrt, interpretiert und ausstellt. Öffentlich zugänglich, barrierefrei und inklusiv, fördern Museen Diversität und Nachhaltigkeit. Sie arbeiten und kommunizieren ethisch, professionell und partizipativ mit Communities. Museen ermöglichen vielfältige Erfahrungen hinsichtlich Bildung, Freude, Reflexion und Wissensaustausch."
ICOM-Museumsdefinition 2023