Zella-Mehlis ist reich an Geschichte(n)!
Neuigkeiten
Von der Karte auf den Bildschirm: erste Schritte zur Sammlungsdigitalisierung
Die Digitalisierung aller Arbeits- und Lebensverhältnisse schreitet kontinuierlich voran. Auch die Museen der Stadt Zella-Mehlis stehen vor der Aufgabe, sich den Herausforderungen dieses Prozesses zu stellen und die sich ergebenden Möglichkeiten zur Optimierung des eigenen Wirkungskreises zu nutzen.
Kern musealer Arbeit ist bekanntlich das Beschaffen, Erforschen, Bewahren und Präsentieren materieller Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt – ein Handlungskomplex, der selbstredend auch die sachgerechte Erfassung und Dokumentation einschließt. Gelangen Einzelobjekte oder ganze Konvolute durch Kauf, Schenkung oder Leihgabe in den Besitz der Museen, wird deren Erhalt in Eingangsbüchern handschriftlich erfasst. Nach festgestellter Sammlungswürdigkeit erfolgt dann unter Zuweisung einer entsprechenden Inventarnummer und der Angabe beschreibender Parameter die Übernahme in das Inventarverzeichnis der Einrichtung.
Die präzise und möglichst vollständige Erfassung des Objektbestandes ist kein Selbstzweck, sondern dient neben der Erkenntnisgewinnung zur historischen Einbettung der einzelnen Gegenstände, vor allem auch schneller Wiederauffindbarkeit innerhalb der oft riesigen musealen Sammlungen. Alleine die Stadtmuseen Zella-Mehlis beherbergen in ihren Ausstellungsräumen und Depots fast 30.000 Objekte, deren Verbleib ohne ordnungsgemäße Dokumentation kaum nachvollzogen werden könnte. Der Inventarisierungsprozess wurde dabei bislang „analog“ durchgeführt, d. h. durch schriftlichen Vermerk in fortlaufend nummerierten Inventarbüchern, sowie durch sachkundige Beschriftung und Ablage von Karteikarten in dafür vorgesehene Kästen.
Inventarbuch und Karteikarte mit den wichtigen Objektinformationen.
In mittlerweile 40 Kateikästen sind die bisher für ca. 30.000 Objekte angelegten Karteikarten nach einem System abgelegt
Neben Vorzügen, bringt die ausschließlich handschriftliche Ablage allerdings den Nachteil nahezu exklusiver in-house-Wahrnehmbarkeit der Objekte mit sich. Museen etwa, die spezial-thematische Ausstellungen der Öffentlichkeit präsentieren wollten, mussten bislang in langwierigem Schriftverkehr anfragen, ob andere Häuser passende Exponate vorhalten und zur Verfügung stellen können – vorausgesetzt man hatte überhaupt Kenntnis von der Existenz potenzieller Leihgeber. Auch beschränkt diese Form der Registrierung die publikumswirksame Ausspielbarkeit der Daten, Fakten und Bilder auf den physischen Raum vor Ort, da großflächige Präsentationsmöglichkeiten, etwa auf Internetplattformen, nahezu ausgeschlossen sind.
In einer vernetzten Umwelt, die auch im musealen Kontext auf schnellen gegenseitigen Informations- und Objektaustausch zielt, ist es deshalb an der Zeit, sich für den Dokumentations- und Archivierungsvorgang auch digitalen Angeboten zu öffnen. Der Verbund digiCult, ein Zusammenschluss von über 200 Museen und Sammlungen zur Erfassung und Publikation ihrer Bestände, setzt hier an und stellt mit der gleichnamigen Plattform digiCult.web eine Onlinelösung für die Erfassung und Verwaltung von Objekten zur Verfügung.
Museumsmitarbeiterin Jessica Keil bei der Eingabe von Objektdaten in die digiCult-Datenbank.
Grundpfeiler des Systems ist ein sog. Repository-Archiv, in das Nutzer alle Objekt-Informationen, die vormals auf Karteikarten erfasst wurden, in ausdifferenzierten Eingabemasken mit noch weit höherem Detaillierungsgrad hinterlegen und speichern können. Vorteile sind neben der digitalen Objektsicherung, eine zügige Auffindbarkeit der angelegten Objekte, jederzeitige Bearbeitungs- und Aktualisierungsmöglichkeiten, sowie eine enorme Vielfalt im Bereich der Datenverwertung auf externen Plattformen. Dazu zählen neben digitalen Archiven, wie etwa dem „Europeana“-Netzwerk oder der „Deutschen Digitalen Bibliothek“ auch Museumswebsites, wissenschaftliche Datenbanken, soziale Medien, Online-Kunstgalerien, Blogs und Spezialforen. Der institutionelle Austausch erfährt durch die Schaffung dieses Datenpools darüber hinaus einen Aufschwung, der vertiefter Forschung sehr zugutekommt, flexible Formen der Kooperation schafft und schlussendlich dem Zielpublikum musealer Arbeit neue Einsichten eröffnet.
Das System ersetzt dabei nicht die Registrierung auf der Karteikarte. Diese wird ihre Funktion als Ersterfassung, analoges Backup und Langzeitspeicher behalten. Zwei Mitarbeiter der unserer Museen wurden Ende Oktober 2024 in den Grundfunktionen von digiCult unterwiesen, weitere Schulungsmaßnahmen stehen noch aus. Dieser Prozess der Sammlungsdigitalisierung wird nicht unerheblich Zeit in Anspruch nehmen. Herausforderungen bilden vor allem der Datenabgleich mit teilweise Jahrzehnte alten Karten, insbesondere die Lesbarkeit der Handschriften unterschiedlicher Autoren, die Daten- und Textanpassung auf den heutigen Stand, sowie die Erstellung von hochwertigem, zeitgemäßen Bildmaterial für insgesamt fast 30.000 Objekte.
In einem ersten Schritt werden die Karteikarten mit Unterstützung des Museumsverbandes Thüringen und dessen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek angesiedeltem Digitalisierungsteam mit einem professionellen Multiscanner, über den ein zügiger Karteikarten-Scan gewährleistet wird, in eine digitale Form überführt.
Der Multiscanner ermöglicht die zügige digitale Erfassung der Karteikarten (Foto: Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena)
Die ersten 10.000 Karten wurden bereits bei digiCult eingereicht, weitere folgen sukzessive im Laufe des Jahres. Eine automatisierte Übertragung der Scan-Ergebnisse in das Repository – Archiv ist gegenwärtig noch nicht machbar, aber langfristig in Arbeit. Bis dahin heißt es für das Museumsteam, die Karteikarten noch händisch mit den Segnungen des 21. Jahrhunderts vertraut zu machen. (ad)
Glossar
Museum
"Ein Museum ist eine nicht gewinnorientierte, dauerhafte Institution im Dienst der Gesellschaft, die materielles und immaterielles Erbe erforscht, sammelt, bewahrt, interpretiert und ausstellt. Öffentlich zugänglich, barrierefrei und inklusiv, fördern Museen Diversität und Nachhaltigkeit. Sie arbeiten und kommunizieren ethisch, professionell und partizipativ mit Communities. Museen ermöglichen vielfältige Erfahrungen hinsichtlich Bildung, Freude, Reflexion und Wissensaustausch."
ICOM-Museumsdefinition 2023