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Objekt des Monats März 2025 – Ölgemälde Gesenkschmiede
Im Oktober 2024 durften sich die Zella-Mehliser Museen über ein neues Gemälde freuen, das durch Familie Karl, Nachfahren der Zella-Mehliser Schmiede-Familie Wahl, dem Museumsteam übergeben wurde. Da es ein schönes Zeitdokument für das Technikmuseum Gesenkschmiede ist, gleichzeitig aber kleine Rätsel aufgibt, soll es unser Objekt des Monats März 2025 sein.
Das 77 cm × 56,5 cm große Ölbild auf Holzplatte zeigt das Gebäude des heutigen Museums im frühen 20. Jahrhundert. Idyllisch liegt es am Lauf des Lubenbachs, umsäumt von hohen Nadelbäumen, im Hintergrund die Anhöhen des Thüringer Waldes. Aus dem Gebäude steigt Rauch auf, was auf eine belebte Wohn- und Arbeitsstätte hinweist. Der Wolkenzug im Himmel verleiht dem ansonsten gemütlichen Motiv etwas Dynamik und Spannung.
Um es zeitlich korrekt einordnen zu können, war zu klären, welche Funktion das Gebäude zum Zeitpunkt seiner bildlichen Erfassung hatte. Als Gesenkschmiede fungierte es erst ab 1919. Gleichzeitig trägt das Bild die Signatur „W. Trost, Weimar, 1908“, was zunächst den Verdacht nahe gelegt hat, hier sei noch das vormalige Sägewerk, die Eckstein’sche Schneidmühle, zu sehen, als welche das Haus noch um 1908 aktiv genutzt wurde.
Bildunterschrift mit Datierung „1908“.
Ein winziges Bilddetail verrät allerdings, dass der tatsächliche Entstehungszeitpunkt des Gemäldes und seine Datierung 1908 auseinanderfallen müssen. Auf der Waldanhöhe im Hintergrund ist bei genauer Betrachtung ein Gebäudekomplex, die ehemalige „Waldschänke am Veilchenbrunnen“ zu sehen, den es heute in dieser Form nicht mehr gibt. Die Waldschänke wurde nachweislich erst 1910 errichtet, kann also noch auf keinem 1908 gemalten Bild erschienen sein. Es handelt sich hier also um eine Rückdatierung! Was den Maler zu diesem Schritt bewegt hat, liegt allerdings im Bereich des Spekulativen.
Die ehemalige Waldschänke am „Veilchenbrunnen“ auf einer alten Postkarte.
Die Waldschänke deutlich sichtbar im Ölbild.
Vielleicht wollte W. Trost, über den wir leider keine Erkenntnisse zutage fördern konnten, gar nicht den Entstehungszeitpunkt des Bildes verewigen, sondern den Bildinhalt, also den Zustand des damaligen Sägewerks im Lubenbachtal, dem Jahre 1908 zuordnen. Dies wäre kunstgeschichtlich als Signatur-Bestandteil zwar nicht ausgeschlossen, doch eher ungewöhnlich, da eine kurze Inhaltsbeschreibung regelmäßig auf der Rückseite von Bildern erfolgte und dann auch detaillierter, als die bloße Angabe der Jahreszahl. Auch wäre die vorangestellte Ortsangabe Weimar nicht verständlich. Dieser Orts-Zusatz könnte aber in anderer Hinsicht einen aufschlussreichen Anhaltspunkt bieten.
Möglich ist nämlich auch, dass sich unser Maler einer bedeutenden Kunstrichtung zugehörig wissen wollte, ein im Kunstbetrieb nicht selten auftauchendes Motiv für Rückdatierungen. In Betracht kommt hier die berühmte Weimarer Malerschule, die sich an der Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule in Weimar ausprägte. Künstler dieser zwischen 1860 bis etwa 1919 prominenten Strömung der Landschaftsmalerei, in welche sich das Sujet unseres Bildes sehr gut einfügen würde, nutzten des Öfteren den Signatur-Zusatz Weimar – nicht nur als bloße Angabe des Entstehungsorts, sondern als „Aushängeschild“ ihrer bekannten Schule. Eine Rückdatierung wäre nachvollziehbar, wenn das Bild tatsächlich erst nach 1919, also nach den Wirren des Ersten Weltkrieges, gemalt worden wäre, einer Zeit, zu der die Weimarer Malerschule durch neue künstlerische Einflüsse merklich an Bedeutung einbüßte.
Ob der Zugehörigkeitswunsch tatsächlich den Ausschlag gab, wissen wir nicht. Tatsächlich deutet aber auch noch ein anderer Umstand auf eine deutlich spätere Entstehungszeit hin. Mit einer Schwarzlichtlampe konnten unter der Öl-Oberfläche fein gezeichnete Gitterlinien ausgemacht werden, die eine Skalierung des Motivs mittels Rasterskizze nahelegen. Bei dieser Technik wird das zu kopierende, oftmals kleinere Bild in Planquadrate aufgegliedert, die, maßstabsgerecht auf den Untergrund des gewünschten Bildes übertragen, dem Künstler Orientierung bei einer Vergrößerung geben. Ganz häufig dienten Post- oder Künstlerkarten mit prägnanten Ortsmotiven als Vorlage für ein späteres Gemälde.
Eine solche Künstlerkarte aus der damalig beliebten Reihe „Wiedemanns Künstlerkarten“, die unser Maler aller Wahrscheinlichkeit nach nutzte, befindet sich in unserer Sammlung. Deren Bildmotiv entspricht in weiten Teilen dem des Ölbildes, einzig die Himmelspartie weicht auf der Postkarte mehr ins Freundliche ab, der Wege-Zaun ist im Ölbild weiter nach vorne gezogen und die Wiese links des Weges mit Schafgarbe versehen. Abgesehen davon, sind die Übereinstimmungen in Bildaufbau und Bilddetails frappierend. Auch die Waldschänke ist im Hintergrund an exakt gleicher Stelle deutlich zu sehen.
WIRO-Postkarte als wahrscheinliche Bild-Vorlage.
Im Hintergrund die Waldschänke im Postkarten-Motiv.
Die Karte ist mit der Bildunterschrift „Motiv aus dem Lubenbachtal bei Zella-Mehlis“ bedruckt, muss also nach dem 1. April 1919, dem Zusammenschluss beider Orte, in Umlauf gekommen sein. Gehen wir also davon aus, dass W. Trost das Gebäude – vielleicht sogar als Auftragsarbeit für den Neueigentümer des alten Sägewerks, die Familie Wahl – großformatig verewigt hat, so spricht vieles dafür, dass dies nach 1919 geschah, möglicherweise sogar erst in den frühen Zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts und nicht bereits 1908! Das Bildmotiv zeigt nach unserem Erkenntnisstand das heutige Technikmuseum zwischen 1910 (Bau „Waldschänke“) und etwa 1918/19 (frühester Umlauf Karte), wobei ein Heranrücken an das jüngere Datum wahrscheinlicher ist, da das Inverkehrbringen einer neuen Postkarte wohl eher an ein aktuelles Motiv anknüpft. Exakt zu dieser Zeit erfolgte der Umbau des Sägewerks zur Gesenkschmiede. Bereits zehn Jahre später, um 1928, hatte es nach zahlreichen Umbauten ein völlig anderes Aussehen.
Seit nunmehr einem Jahrhundert befindet sich das schöne Bild im Besitz der Familie Wahl und ihrer Nachkommen. Nun soll es einen würdigen Platz in einer angemessenen Umgebung erhalten, ein Wunsch, dem zu gegebener Zeit nachgekommen werden soll. (ad)
Glossar
Museum
"Ein Museum ist eine nicht gewinnorientierte, dauerhafte Institution im Dienst der Gesellschaft, die materielles und immaterielles Erbe erforscht, sammelt, bewahrt, interpretiert und ausstellt. Öffentlich zugänglich, barrierefrei und inklusiv, fördern Museen Diversität und Nachhaltigkeit. Sie arbeiten und kommunizieren ethisch, professionell und partizipativ mit Communities. Museen ermöglichen vielfältige Erfahrungen hinsichtlich Bildung, Freude, Reflexion und Wissensaustausch."
ICOM-Museumsdefinition 2023