Objekt des Monats
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Objekt des Monats Dezember 2022 – Kinderspielzeug aus Benshausen
Unser Objekt des Monats Dezember könnte nicht besser in die Jahreszeit passen. Weihnachten steht vor der Tür und alljährlich freuen sich besonders die Kinder auf den Weihnachtsmann mit dem Geschenke-Sack.
Während sich heute Spielsachen wie Barbie im Monsterkostüm, Tonieboxen mit verschiedenen Aufsätzen zum Geschichten erzählen lassen oder Lern-Smartphones unter dem Weihnachtsbaum tummeln, sahen die Geschenke in früheren Zeiten noch ganz anders aus.
Wir haben uns mal im Heimatmuseum Benshausen umgeschaut und im dortigen Kinderzimmer zwei wunderschön gestalteten Miniatur-Puppen-Fahrgeschäfte gefunden: ein Riesenrad und ein Kinderkarussell. Beide Spielzeuge stammen von dem selben Spender aus Benshausen, die Entstehungszeit ist auf 1920 bis 1950 datiert. Auf einer Fahne am Mast des Kinderkarussells ist der Name des Spenders zu lesen: Hilmar auf der einen und Kohl auf der anderen Seite. Hilmar Kohl (*1930, †2003) war Bürger von Benshausen, u.a. gründete er neben sieben weiteren Mitgliedern 1992 den Schützenclub Tell Benshausen neu und war ein so erfolgreicher Schütze, dass u.a. nach ihm ein Pokal für Luftgewehr- und Sportschützen benannt wurde: der Hugo-Heim-, Hilmar-Kohl- und Südthüringen-Pokal in Suhl (31.1. - 2.2.2014).
Wenn man sich die angenommene Entstehungszeit der Fahrgeschäfte anschaut, ist es wahrscheinlich, dass sein Vater Fritz – als gelernter Werkzeugmacher und handwerklich geschickt bekannt – die beiden Spielzeuge für ihn (und eventuelle Geschwister) gebaut hat und er selbst später dann die Modifizierung, wie z.B. die Elektrifizierung vorgenommen hat, um damit dann seinen Söhnen eine Freude zu machen.
Als Vorbild für die Fahrgeschäfte diente vielleicht sogar die Benshäuser Kirmes, die viele Jahrzehnte zu den Höhepunkten im Festjahr des Ortes galt bzw. noch immer gilt. Die Anfänge der Riesenräder und Karussells gehen bis ins 17. Jahrhundert zurück, wobei die ersten großen und bedeutenden Fahrgeschäfte dieser Art erst zum Ende des 19. Jahrhunderts richtig in Mode kamen. Seit dem allerdings sind sie von Jahrmärkten und Volksfesten bis heute nicht mehr wegzudenken. Auch die Benshäuser erinnern sich heute noch gerne an die Kirmes im Ort mit den vielen Fahrgeschäften, Schieß- und Losbuden, die bunten Lichter, das Kinderlachen von den Karussellpferden und den Duft von Zuckerwatte zurück.
Beide Fahrgeschäfte bestehen aus liebevoll bunt bemaltem Holz, Metall und Kunststoff. Sowohl an der Bauweise als auch am Muster der Bemalung ist die Zusammengehörigkeit der beiden Spielzeuge gut zu erkennen. So wurden z.B. die Grundplatten, auf denen die Fahrgeschäfte befestigt sind, beide vermutlich in Anlehnung an die Wiese des Festplatzes in Grün bemalt und die weiteren Teile in Rot und Weiß gehalten. Ursprünglich wurden die Fahrgeschäfte durch Kurbeln bewegt, die Ansätze hierfür sind noch erkennbar.
Später erfolgte die Elekrtifizierung des Fahrbetriebs und die Anbringung von kleinen Lichterketten, sodass man nur einen Schalter betätigen musste und dann begannen sich die Fahrgeschäfte zu drehen und zu leuchten. Die elektrischen Komponenten deuten auf die 1950er oder 1960er Jahre hin.
Diese und weitere im Heimatmuseum Benshausen vorhandenen ausgestellten Spielzeuge geben nicht nur einen Einblick in die Welt des hiesigen Kinderspielzeugs, sondern zeigen auch oftmals ein hohes Maß an Kreativität und Einfallsreichtum der Bürger, denn vieles ist liebevoll eigenhändig für die Kinder gebastelt und gestaltet worden. Viele Familien hatten in früheren Zeiten keine Möglichkeit, Spielzeug zu kaufen, sei es aus finanziellen Gründen oder weil es einfach nichts Schönes zu kaufen gab. So wurden viele selbst erfinderisch und bastelten und bauten eigene Kreationen um z.B. an Weihnachten in strahlende Kinderaugen schauen zu können.
Schon von Anbeginn der Menschheit hat es Spielzeuge für die Kinder gegeben, wie Ausgrabungen bewiesen haben. So wurden u.a. Steine und geformte Knochen aus der Steinzeit gefunden, die bereits an Puppen erinnern. Auch Rasseln und Pfeifen aus dieser frühen Zeit sind überliefert. Die Puppe gilt als ältestes bekanntes Spielzeug. Während sie in der Steinzeit noch aus Stein und Knochen bestand, sind für die Zeit der Antike bereits Puppen aus Ton mit Gelenken und vielen Details bekannt. Spielzeug aus Holz war ebenfalls bereits im Trend.
Man unterschied bereits früh zwischen Spielsachen für Jungen und für Mädchen und auch der Status einer Familie bzw. aus welcher Schicht sie angehörte hatten großen Einfluss auf das Spielzeug der Kinder. Im Mittelalter hatten Kinder aus wohlhabenden Familien u.a. elegante Puppen, Glasmurmeln, Figuren aus Silber oder Steckenpferde, während die Kinder aus armen Familien nur selbst gebastelte Spielsachen aus Stroh, Holz oder Bast hatten.
Die Kirche hatte großen Einfluss auf das Spielverhalten der Kinder in dieser Zeit. Während die Jungen oft in Rüstungen mit Kinderschwertern spielten und sich so auf ihre Rolle als künftige Ritter vorbereiteten, pflegten die Mädchen ihre Puppen um die Mutterrolle zu proben und vertrieben sich die Zeit mit Näh- Strick- und Spinnzubehör oder Mittel für Schmuckarbeiten.
Ende des 18. Jahrhunderts brachte Friedrich Fröbel den pädagogischen Aspekt in die Spielzeuge und das Spielverhalten der Kinder. Er erkannte die Wichtigkeit der frühen Kindheit für die Entwicklung und Bildung. Fröbel erfand nicht nur den Kindergarten, sondern entwickelte auch eigenes Spielzeug, wie Baukästen oder sportliche Spielgeräte, die die Feinmotorik, Fantasie und sportliche Betätigung der Kinder anregen sollten.
Die Industrialisierung änderte Einiges auch in der Spielzeugproduktion und in deren Vertrieb. Aufgrund der neuen Technologien konnten auch hier große Stückzahlen mit weniger finanziellem und zeitlichem Aufwand hergestellt werden. Nun konnten sich auch weniger betuchte Familien Spielzeugkäufe leisten. Neue Materialien wie Blech ermöglichten z.B. die Herstellung von Spielzeugautos und Figuren oder sogar ganze Eisenbahnsysteme. Letztere wurden schnell durch die elektrische Kindereisenbahn ersetzt, die sich noch heute großer Beliebtheit bei Groß und Klein erfreut.
Heute sind die Materialien, Formen und Herstellungstechniken so vielfältig, dass nahezu alles, was das Herz begehrt hergestellt und vertrieben werden kann.
Aber sind wir doch mal ehrlich: ein eigens für das Kind selbst gebautes bzw. gebasteltes Spielzeug ist immer noch das Schönste und bleibt am längsten in Erinnerung!
Das gesamte Team der Städtischen Museen Zella-Mehlis wünscht fröhliche Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr!
Die Museen bleiben an Heiligabend, Silvester und Neujahr geschlossen, haben aber an allen anderen Tagen zu den gewohnten Öffnungszeiten für ihre Besucher geöffnet. (ms,jk)