Objekt des Monats
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Objekt des Monats Mai 2023 – Dynamo-Taschenlampe
Die Geschichte der elektrischen Taschenlampe reicht in das 19. Jahrhundert zurück, doch Genaueres ist nicht bekannt. Eine erste Taschenlampe entwickelte Paul Schmidt aus Köthen im Jahre 1896 als er die Trockenbatterie erfand, diese aber erst 1906 zum Patent anmeldete. So gilt der Engländer David Misell, der sein Patent schon 1899 einreichte, als Erfinder der Taschenlampe. Er verkaufte es an die „American Electrical Novelty and Manufacturing Company“ – heute bekannt unter dem Namen „Energizer“. Bis in die neueste Zeit galt der Name von Paul Schmidts Firma „Daimon“, abgeleitet vom griechischen Wort „daimonion“ (Gottheit oder Dämon), fast als Synonym für Batterie und Taschenlampe.
Als Vorgriff auf moderne Zeiten produzierte „Daimon“ in den 1930er Jahren eine besonders handliche Stablampe und nannte sie „Handy“! Die ersten, stromsparenden und langlebigeren LED-Leuchten kamen 1997 auf den Markt. Dank der Taschenlampen-Zusatz-Features moderner Mobiltelefone ist die Verbreitung von herkömmlichen Taschenlampen seit dem Beginn der 2000er Jahre stark rückläufig. Doch früher waren Taschenlampen mal ein großes Ding. Vor allem für Jungs war die Strahlkraft ihrer Taschenlampen ein beliebtes Thema pubertärer Längenvergleiche, aber auch gepaart mit besonderen Emotionen wie das leicht beklemmende Gefühl, welches bei Nachtwanderungen oder auf dem Weg zum Sicherungskasten während eines Stromausfalls aufkam. Allen Herstellerversprechungen zum Trotz mutierte der helle Lichtstrahl allerdings meist binnen weniger Stunden zur trüben Funzel, schuld waren der relativ hohe Strombedarf der Glühlämpchen und die bis heute begrenzte Kapazität der Batterien.
Um die Funktion der Taschenlampe auch unabhängig von Batterien oder Akkumulatoren sicherzustellen, gab es schon frühzeitig Taschenlampen mit alternativer Energieversorgung. Die ersten mechanischen Dynamo-Taschenlampen wurden schon am Beginn des 20. Jahrhunderts hergestellt. Besonders während des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit waren Dynamo-Taschenlampen, da Batterien nur schwer erhältlich waren, weit verbreitet. In diesen Zeiten begann auch die Firma Gebrüder Schmidt aus Zella-Mehlis mit der Herstellung eigener Dynamo-Taschenlampen, die sich bis heute noch in manchen Haushalten erhalten haben. Zum Fertigungsprogramm gehörten außerdem Rasierklingenschärfer und elektrische Trockenrasierapparate der Marke „Sieger“. In den Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg gegründet, gehörte der Betrieb ab 1962 zum „VEB Elektrowaren“, später „Veb Elektrogerätewerk Suhl“ bzw. „AKA Electric“. Allzu viel finden wir zu dieser Firma in unseren Unterlagen leider nicht. Ihren Fertigungsstandort hatte die Firma, die Sportartikel, Metallwaren und Werkzeuge herstellte, in der Schillerstraße 23, direkt neben der Schiller-Schule.
Rechts neben der Schillerschule befand sich das Betriebsgebäude
Da ungefähr war die Fabrik
Das Firmenlogo in einer Anzeige und auf der Taschenlampe zeigt drei ineinander verschlungene Ringe
Auf der Verpackung wird mit Garantie geworben und der Preis von 10 Mark der DDR hat sich schnell amortisiert
Wie benutzt man die Lampe? Die Lampe wird so in die geöffnete Hand genommen, dass man mit dem Daumen den Sperrhebel nach hinten drücken kann. Hierauf tritt der Druckhebel heraus und die Inbetriebnahme kann beginnen. Dazu wird der Hebel durch Zusammenballen der Hand in das Gehäuse hineingedrückt, dabei erzeugt der Dynamo den erforderlichen Strom. Bei normalem Gebrauch kann man etwa 70 Hebeldrücke in der Minute machen. Bei zu schnellem Drücken wird die Stromerzeugung zu groß, es besteht die Gefahr, dass die Glühlampe durchbrennt. Beim Auswechseln einer Ersatzbirne wird der Überwurfring abgeschraubt, hier kann man den Reflektor (Birnenfassung) ganz herausnehmen und die Birne auswechseln. Wenn man die Lampe nicht mehr braucht, wird der Hebel im eingedrückten Zustand durch Schieben des Sperrhebels nach vorn wieder gesichert.
Die Schmidtsche Dynamo-Taschenlampe in betriebsbereitem Zustand
Irgendwann gab es wieder genug Batterien und die Dynamo-Taschenlampen wurde eher zu einem Nischenprodukt, zumal diese ja auch etwas umständlich zu bedienen waren. Doch die DDR wäre nicht DDR gewesen, wenn man nicht noch eine weiterführende Verwendungsmöglichkeit für die Schmidtsche Dynamo-Taschenlampe gefunden hätte – nämlich in der Militärtechnik.
In der Zeit des Kalten Krieges rüstetete man sich auf allen Seiten für den Fall eines Kernwaffeneinsatzes. Daher benötigte man für diesen Umstand geeignete Messtechnik zur Bestimmung einer eventuellen Strahlenbelastung. Zuständig dafür war in der DDR das Amt für Kernforschung und Kerntechnik. Ihm unterstand der „VEB Vakutronik“ in Dresden, der mit der Herstellung geeigneter Geräte betraut war. Der Betrieb wurde 1957 als Industrie- und Forschungsbetrieb für Kernphysik und Kerntechnik gegründet. Hauptforschungs- und Produktionsgebiet von „Vakutronik“ waren u. a. Messgeräte für Röntgen- und radioaktive Strahlungen sowie Ionisationskammern. 1963 wurde der „VEB Vakutronik“ zum „Wissenschaftlichen Industriebetrieb“ ernannt und der „VVB RFT Nachrichten- und Messtechnik Leipzig“ angegliedert und war einer der bedeutendsten Hersteller von Kernstrahlungsmesstechnik weltweit. Im Jahr 1968 hatte der Betrieb 1400 Beschäftigte, davon 300 Ingenieure. Am 1. März 1969 ging der Betrieb gemeinsam mit dem „VEB Funkwerk Dresden“ und dem „VEB Schwingungstechnik und Akustik Dresden“ in den „VEB RFT Meßelektronik Dresden“ über. Zehn Jahre später wurde dieser als „VEB Robotron-Meßelektronik ‚Otto Schön‘ Dresden“ in das „Kombinat Robotron“ eingegliedert. Ab 1990 erfolgte die Aufsplittung und Privatisierung verschiedener Betriebsteile.
Eines der Produkte des „VEB Vakutronik“ war der „RSA-64D“, ein Strahlungsmessgerät zur Kernstrahlungsaufklärung nach einem Kernwaffenschlag. Es war hauptsächlich im Bereich der Zivilverteidigung anzutreffen. Die Besonderheit: Es wird mit einem Handdynamo betrieben und braucht deshalb keine Batterien.
Kernstrahlungsmessgerät RSA-64D mit „Taschenlampenantrieb“
Die Anzeige erfolgt durch Kopfhörer, in denen man das Ticken hört und ein kleines Messinstrument mit Zeiger und Skala. Der Dynamo ist nicht speziell entwickelt worden – man nahm etwas, was schon da war: Eine Dynamo-Taschenlampe aus Bakelit oder Duroplast, von der Firma „Gebrüder Schmidt, Zella-Mehlis“. (ls)