Objekt des Monats
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Objekt des Monats Juni 2023 – Haushalt-Merktafel
Wer kennt das Problem nicht: Wochenend-Einkauf, vorher noch schnell Zettel schreiben, da war doch noch was … und … nicht aufgeschrieben … weg!
Dank Smart-Home und Smart-Kühlschrank sollte den Werbeversprechen zufolge das Problem bald gelöst sein. Neu ist es jedoch nicht.
Eine Erfindung, wohl aus der Zeit um 1900, ist unser Objekt des Monats Juni, die Haushalt-Merktafel. Sie findet sich in mehrfacher Ausführung im Depot des Stadtmuseums.
Meist aus Blech, teils auch aus Holz gefertigt, kann mit Schiebern, Steckern oder umlegbaren Pfeilen stromlos markiert werden, welche Dinge des Haushalts fehlen oder gerade zur Neige gehen. Ein kluger Erfinder hat sich die Tafeln sogar als D.R.G.M., d. h. als „Deutsches Reichs-Gebrauchsmuster“, dem „kleinen Bruder“ des Patents, schützen lassen.
Ausschnitt aus dem Katalog August Stukenbrok Einbeck von 1912, S. 117
Verkauft wurden die Tafeln auch damals schon in Versandhauskatalogen oder über den Einzelhandel. Zum Teil waren sie an den Türinnenseiten der zeitgleich aufkommenden Küchenbuffets befestigt. Eine Blüte erlebten sie als Massenware in den 1920er bis 1930er Jahren. Heute werden die originalen Tafeln manchmal auf Flohmärkten zu einem Vielfachen des ursprünglichen Preises angeboten.
Manche Tafeln boten Extras, wie die anmontierte Eieruhr. An einigen Exemplaren ließ sich eine Papierrolle befestigen, auf der am Einkaufstag alles notiert werden konnte. Denn mobil war man mit den Tafeln nicht. Entweder am Einkaufstag gemerkt oder doch noch kurz alles abgeschrieben.
Aus heutiger Sicht interessant ist, was im Haushalt damals benötigt – oder eben nicht benötigt – wurde. In der Regel sind etwa 30 bis 40 Dinge in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet. Neben einigen Drogeriewaren sind es viele, eher unverarbeitete Lebensmittel. Auffällig ist, dass es sich meist um haltbare Waren handelt. Dinge wie Obst und Gemüse, außer Kartoffeln und Zwiebeln, fehlen in der Liste. Wurden sie im eigenen Gärtchen angebaut und mussten nicht erworben werden?
Betrachtet man verschiedene dieser Tafeln, halten mit der Zeit auch Markennamen wie „Ata“, „Maggi“ oder „Persil“ Einzug. Einige der Waren sind heute nur noch Nischenprodukte, wie Graupen, Petroleum, (Bleich-) Soda, und Grütze. Auf einer der ältesten Tafeln sind viele Gewürze aufgezählt: „Lorbeerbl., Muskat, Nelken, Pfeffer, Vanille, Zitronen oder Zimmet.“
Moderne Einkaufstafel aus Holz mit Plastikmerkern, um 2015
Eine zeitgenössische Tafel, vor wenigen Jahren erhältlich, funktioniert wie ehedem, hat jedoch ein deutlich anderes Produktspektrum: Joghurt, Müsli, Nuss-Nougat-Creme, Küchentücher, Spülmaschinentabs, Alu- und Frischhaltefolie, Duschgel, Shampoo, Taschentücher, Backpapier etc. Insgesamt nur wenige Lebensmittel, dafür viele Drogerieartikel, die es früher nicht gegeben hätte und die teils schnell wieder als Müll entsorgt werden (müssen). Seife und Soda zum Putzen, das Kuchenblech gut eingefettet, Lappen und waschbare Stofftaschentücher erfüllten vor 100 Jahren auch zuverlässig ihren Zweck.
Was würden diese Tafeln heute noch enthalten: Pizza, Tiefkühlware, Cola, Limonaden, Ketchup etc.? Viele verarbeitete Lebensmittel. Die alten Tafeln spiegeln sicherlich auch das – überschaubare – Warenangebot der damaligen Zeit wider. Eine Tafel von heute würde mit 40 Artikeln nicht leicht auskommen. Es gab Haferflocken und nicht zehn Sorten Müsli und diese noch von je sieben verschiedenen Herstellern, Cornflakes und Frühstückszerealien gar nicht mitgezählt. Gewaschen wurde sich mit Seife, 60 Arten Shampoo für jeden möglichen Haartyp in bunten Plastikflaschen gab es nicht.
Umfangreiche englische Merktafel, um 1920
Ein umfangreicherer „household wants indicator“ aus England listet auch damals schon an die 140 Artikel auf, darunter: FISH, dried; FISH, fresh; FISH, potted; FISH, shell; FISH, tinned; oder: POLISH, boot; POLISH, floor; POLISH, furn.; POLISH, grate; POLISH, metal. Also jeweils Fisch in verschiedenen Handelsformen und Zuständen oder Polituren für diverse Anwendungen und Materialien. Zu bestaunen ist das gute Stück auch als Requisite in der britischen Fernseh-Serie „Downton Abbey“.
Etwa 100 Jahre später kann man sich als aktuelle Merktafeln Einkaufs-Apps aufs Smartphone laden oder gar kein Ladengeschäft mehr aufsuchen, sondern sich direkt alles, auch Lebensmittel mit Rezept zum Nachkochen, ins Haus liefern lassen. Im nächsten Schritt funktioniert das Ganze, wie eingangs schon angemerkt, bequem und völlig selbständig durch eine KI? Vorsicht! Vielleicht bemerkt diese, dass der Pizza- und Bierkonsum unvereinbar sind mit dem aktuellen BMI und bestellt nur noch Brokkoli und Mineralwasser?!? Vielleicht bleiben wir doch besser noch eine Weile beim guten alten Einkaufszettel … (ms)