Objekt des Monats
und andere interessante Beiträge aus dem Blog
Objekt des Monats August 2023 – Die Eismaschine
Der Sommer neigt sich dem Ende zu, die Ferien sind vorüber. Ein beliebter Genuss der heißen Jahreszeit bleibt uns aber erhalten: Speiseeis. Heute ganzjährig verfügbar, war es ein Jahrhundert früher ein Luxusgut, dessen Herstellung sich – gerade im Sommer – aufwendig gestaltete.
Im Depot des Stadtmuseums findet sich ein Utensil, das die Herstellung vereinfachte: die Eismaschine nach dem Prinzip Meidinger, auch Gefrier- oder Eisbüchse genannt.
Zur Zeit der Eisbüchse gab es noch keine Kühl- und Gefrierschränke. Das Roheis wurde im Winter abgebaut und in Eiskellern das Jahr über eingelagert. Erst 1929 wurde der erste europäische Kühlschrank von den durch Jørgen Skafte Rasmussen gegründeten Zschopauer Motorenwerken J.S. Rasmussen entwickelt. Bis sich Kühlgeräte in Privathaushalten durchsetzten, dauerte es noch bis in die 1960er Jahre. Zur Speiseeisherstellung wurde deshalb damals das eingelagerte Eis genutzt. Wie jedoch konnten zimmer-warme Zutaten auf Minustemperaturen gekühlt werden? Dazu erfand der deutsche Physiker Joseph Heinrich Meidinger (1831–1905) 1870 eine ‚automatische‘ Eismaschine für den Hausgebrauch.
Und jetzt – Vorsicht Physik!
Vorderansicht Eismaschine
Schon lange war bekannt, dass sich durch Mischen von Salzen und Eis eine deutlich tiefere Temperatur erzielen lässt, als das gefrorene Wasser an sich hat. Der Gefrierpunkt der durch das aufgelöste Salz entstehenden Lösung sinkt von 0°C bei „normalem“ Wasser auf -21°C bei einer gesättigten Kochsalzlösung. Da die Eiswürfel nun in einer Lösung schwimmen, die einen deutlich geringeren Schmelzpunkt als das Eis selbst hat, beginnen sie zu „tauen“. Für diesen Schmelzvorgang sind enorme Mengen von Energie notwendig. Diese für den Schmelzvorgang benötigte Wärmemenge wird dabei der Lösung entzogen und diese kühlt sich weiter stark ab.
Meidinger ersetzte in seiner Eisbüchse das grobkörnige Salz in einem doppelwandigen Kühlmantel durch eine spezielle Salzlösung, die für eine gleichbleibende Temperatur von ca. -19°C sorgte. Die innen in den trichterförmigen Einsatz eingefüllte Speiseeismasse musste, anders als bei anderen Eismaschinen, nicht mehr dauernd umgerührt werden und fror gleichmäßig durch, was viel Zeit und Energie einsparte.
Original Schemazeichnung der Eisbüchse Meidinger:
A Friergefäß,
B Kühlgefäß,
C Salzbehälter
Dennoch bedeutete die Eisherstellung damals Arbeit und war sicher nicht alltäglich. Eisblock holen, zerkleinern, Salz zerkleinern, mit Wasser und Eis mischen, Speiseeismasse zubereiten…
Zur Zeit unseres Objekts des Monats waren Kochbücher sehr beliebt und enthalten zahlreiche Speiseeisrezepte. Fündig wird man im Inhaltsverzeichnis jedoch unter dem Begriff Gefrorenes, der Begriff Eis stand für das Roheis. Vorangestellt ist immer ein Text zum Herstellungsverfahren mittels Roheis und Koch- oder Viehsalz und verschiedenen Gefäßen, bzw. der Gefrierbüchse.
Historische Eis-Rezepte:
Milchgefrorenes mit Reiß:
Zu 1 Maaß [~ 0,875 Liter] guter Sahne werden 4 Loth. [~ 60 Gramm] ganz fein gepulverter Reiß und drei viertel Pfund gepulverter weißer Zucker gemischt, dann auf Kohlenfeuer unter beständigem Umrühren zu einem dünnen Brei gebracht, den man alsdann in die Gefrierbüchse thut, und frieren läßt.
Weintrauben-Gefrorenes:
Es werden die schönsten Beere der Weintrauben gepflückt, zerquetscht und durch ein Haarsieb gerieben; auf 1 Berl. Maaß des Durchgeriebenen ein und ein viertel Pfd. Feiner Zucker und drei viertel bis eine ganze Bouteille [Flasche] guter Moseler-Wein genommen, nach geschehener Auflösung des Zuckers und inniger Vermischung zum Gefrieren bearbeitet.
Veilcheneis
250 Gr. Zucker, 1 ½ Liter dicke süße Sahne, ¼ Liter Veilchensaft, 12 Eidotter. Dies wird unter beständigem Rühren bis vors Kochen gebracht, erkaltet, in eine Gefrierbüchse gegossen u. s. w.
Eine Besonderheit unserer Eismaschine ist ihre Größe. Während normale Eisbüchsen ca. 40 cm hoch waren, misst unsere Maschine insgesamt nur 14 cm. Recherchen auch der verschlungenen Beschriftung der Rückseite „GB“ zeigen, es handelt sich um ein Kinderspielzeug der Gebrüder Bing.
GB – Signatur der Spielwarenfabrik Gebrüder Bing
Treue Fans einer beliebten Antiquitätensendung des ZDF wissen, es handelt sich um eine bekannte Marke, einen Blechspielzeughersteller aus Nürnberg. Datierbar ist die Eismaschine auf die Zeit um 1900 bis 1910. Die Spielzeugeisbüchse wurde tatsächlich genutzt, darauf deuten Rostspuren und anhaftende Salzkristalle im Inneren hin.
Also, alle Eltern und Kinder, Genuss mit physikalischen Experimenten verbunden, die Lehrer zum Schuljahresanfang gleich beeindruckt und mal selbst Eis nach dem Prinzip Meidinger hergestellt! (ms)