Objekt des Monats
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Objekt des Monats August 2024 – Eisenerz vom Nitz
Am Fuße des Thüringer Waldes verläuft die geologische Grenze zwischen dem Gebirge selbst und seinem südwestlichen Vorland. Hier trennt sich der bis dahin dominierende Buntsandstein mit seinen sanft gewellten Hügeln von den schrofferen Bergkuppen aus widerstandsfähigen Porphyren und Porphyriten. An dieser Randverwerfung konzentrieren sich auch die wichtigsten Erzlagerstätten, an denen Hunderte von ehemaligen Grubenanlagen nachgewiesen sind.
Ihre Metallgehalte stammen von mineralreichen wässrigen Lösungen, die während der Hebung des Gebirges in den Störungssystemen zirkulierten. In in offenen Klüften wurden die Erze schließlich durch Abkühlung und Druckentlastung ausgeschieden. Es dominieren vielgestaltige Eisenerze, vor allem Hämatit (Roteisenerz), die in reinen Erzgängen oder zusammen mit Nichtmineralen (Quarz oder Kalk- und Schwerspat) auskristallisieren. Die Eisen- und Manganerze sind manchmal noch in ihrem ursprünglichen, wahrscheinlich gallertartigen Zustand zu sehen. Solche nieren-, kugel- und tropfsteinartigen Gebilde wurden von den Bergleuten treffend als „rote, braune und schwarze Glasköpfe“ bezeichnet.
An unserem Erzstück von der Nitz, einem alten Bergbaugebiet zwischen Suhl und Zella-Mehlis, kann man deutlich erkennen, dass es sich um eine eisenmineralische Ausscheidung in einem zerklüfteten Gestein (hier Granitporphyr) handelt - alle Risse und Spalten sind mit Eisenerz gefüllt. In diesem Fall handelt es sich um Roteisenstein (Hämatit), auch Blutstein genannt, der sich besonders gut verhütten ließ. Es ist ein sehr häufiges Mineral, das in den verschiedensten Formen vorkommt und wohl die häufigste natürlich vorkommende Variante des Eisen(III)-oxids (Fe2O3) ist. Zusammen mit Ton und Kreide bildet es den Hauptbestandteil des Pigments Rötel, das in unserer Region früher den damit gestrichenen Fachwerkbalken an den Hausfassaden die typische rote Farbe verlieh. Schon unsere steinzeitlichen Vorfahren verwendeten Rötel zur Körperbemalung und für rituelle Zwecke. Der Name Hämatit leitet sich vom altgriechischen Wort für Blut (haima, haimatos) ab. Ausgehend von diesem altgriechischen Wort und den Beschreibungen antiker Autoren hat sich der Name über das Lateinische bis ins Deutsche verbreitet.
Bereits in der kaiserlichen Schenkungsurkunde von 1111 wird der Bergbau in unserer Region erwähnt, doch ist davon auszugehen, dass er schon viel früher begonnen hat. Langwierige Streitigkeiten um Rechte und Einkünfte zwischen Hennebergern und Sachsen unterstreichen seine einstige wirtschaftliche Bedeutung als Grundlage für die Werkzeug- und Waffenherstellung. Bis um 1500 wurden Abbau, Verhüttung und Verarbeitung der Erze ausschließlich von Bergleuten durchgeführt. Die Gruben in unserer Region waren so ergiebig, dass ein Teil der Erze sogar exportiert werden konnte. Um 1540 waren am Eisenberg und am Himmel kleine, am Kalten Markt, am Bierbach und an der Nitz große Wasserkünste in Betrieb.
Historische Darstellung eines Wasserkraftbetriebenen Schöpfwerkes aus „De Re Metallica ...“ von Georg Agricola, 1556.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war ein Rückgang der Fördermengen zu verzeichnen. Mit dem Dreißigjährigen Krieg kam der hiesige Bergbau ganz zum Erliegen. Die zu verarbeitenden Erze wurden fortan mit Fuhrwerken aus dem Suhler, Schmalkalder und später auch aus dem Kamsdorfer Revier herangeschafft. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts lebte der Bergbau noch einmal kurz auf, ohne jedoch die frühere Bedeutung zu erreichen. Vereinzelte Schürf- und Abbauversuche gab es jedoch immer wieder. Noch heute sind rund um Zella-Mehlis Spuren früherer Bergbautätigkeit zu entdecken. So auch am Regenberg, wo die Flur an seinem Fuß nach einem Gasthaus „Krone“ benannt sein soll, in dem die an der Nitz schürfenden Bergleute einst einkehrten.
Das Grubengebiet an der Nitz schließt sich an das Grubengebiet Oberer Bierbach an. Pingen, Halden und Erdfälle kennzeichnen seinen Verlauf oberhalb der alten Verbindungsstraße zwischen Suhl und Zella-Mehlis und der dortigen Müllverbrennungsanlage.
Ungefähre Lage des bei MÜNSTER genannten Bergbaugebietes an der Nitz (Netz)
Von 1537 bis einschließlich 1620 betrug die Fördermenge nach umfangreichen Recherchen von Harry Ansorg (Das neue Heimatbuch, Zella-Mehlis 1998) 19.134 Fuder (76.536 t) Eisenerz. Zwischen 1560 und 1590 betrug die Fördermenge 12.443 Fuder (49.772 t). Das überwiegend im Zellaer bzw. Mehliser Revier gelegene Bergbaurevier am Nordosthang des heutigen Böhmerberges (Oberer Bierbach) wurde bis 1624, also bis zum Dreißigjährigen Krieg, abgebaut.
Im Zusammenhang mit der Nitz wird neben den hier reichlich geförderten Eisenerzen auch die wohl älteste hennebergische Wasserkunst (eine mit Wasserkraft betriebene Anlage zur Hebung des Grubenwassers aus einem Bergwerk) von Sebastian Münster in seinem „Cosmographey“ (Basel 1628 Das Fünfthe Buch, S. 1104) erwähnt:
„… Saul ein schöner Marcktflecken / allernechst vor dem Thüringer Wald gelegen / darbey grabt man zu jetziger zeit oberauß trefflich viel Eysenertz / besonders auff dem Dellberg und Donnberg. Darnach nicht weit darvon ist ein Thal gelegen / so man nennt in der Goldlauter / da hat man vor wenig jahren Gold und Sylber gegraben / ist jetziger zeiten in ein abgang kommen / derhalben man nicht viel unkosten mehr an diesem Bergwerck anwendet. Noch ein berhümbter Berg auff dem Netz genandt / da gibt es uberflüssig viel Eysenertz / und hat man alda ein kunstreich Wasserrad zugerichtet / daß das Wasser ohne Mühe in Käneln geschöpfft / unnd hindan geleitet wird / so dannethin auff dem Schmiedfeld auch ein Eysen Ertzwerck gefunde. Zu dem so hat man bey diesem gemeldten Ertzwercken uber die 20. Schmeltzhütten / da schmiedet man allerley Waaffen / besonders uber die massen viel Büchsen / sonderlich dieser gattung so man sie jetz pflegt Muschketen zu nennen/ auch Handrohr / klein und groß aller Gattung ein grosse anzahl / und viel Fewrschloß / auch andere nothwendige Waaffen mehr / so in Teutschen und Welschen Landen / auch in Ungern / Polen / allenthalben weit und breit verführt werden. …“
Seite 1104 aus der „Cosmographei“ von Sebastian Münster, Basel 1628, mit der Erwähnung des Bergbaus an der Nitz.
In diesem kurzen Abschnitt werden noch weitere Bergbaugebiete bei Goldlauter und Schmiedefeld erwähnt. Die hier gewonnenen Erze wurden nach Münster in 20 hiesigen Schmelzhütten verarbeitet und dienten vor allem zur Herstellung der verschiedensten Feuerwaffen, die sich in aller Herren Länder großer Beliebtheit erfreuten.
Arno Albrecht in einer Pinge des Grubenfeldes am Oberen Bierbach (Foto: U. Brunzel)
Vom einst ertragreichen Bergbau an der Nitz, am Böhmerberg und am Oberen Bierbach zeugen noch heute tiefe Löcher und mächtige Halden, sogenannte Pingen, die das geübte Auge zu deuten weiß. (ls)