Kindheit, Schule und eine Liebe fürs Leben
Daniel Elster wurde am 16. September 1796 als zweiter Sohn des Hammerschmiedes Johann Christoph Elster im Wohnhaus am Zainhammer in Benshausen geboren.
Es war die Zeit, als etwa 2.000 Einwohner des Dorfes ihr Kirchweihfest ausgelassen feierten. Das fröhliche Spiel der Dorfmusikanten zog ihn bereits als Kind magisch an. In späteren Jahren deutete er die Gleichzeitigkeit von Geburtsdatum und Kirmes als symbolhaft für seine lebenslange Liebe zur Musik. In seiner kindlichen Art, die Sprache und Gebärden des Pfarrers nachzuahmen, wurden Talente für einen Pfarrer gemutmaßt.
Der Vater erkannte aber auch frühzeitig die musikalische Begabung seines Sohnes und vertraute ihn seinem befreundeten Kantor in Suhl zur weiteren Ausbildung an. Dort erlernte er das Singen vom Blatt, das Klavierspielen und das Lesen von Partituren, musste aber auch schmerzlich erleiden, da sein Lehrer Erfolge mit unmenschlichen körperlichen Züchtigungen erzwingen wollte.
Nach dem Willen des Vaters sollte Daniel nun am Gymnasium die Voraussetzungen für ein späteres Theologiestudium erwerben. Der Kantor Bornemann hatte dem Vater dafür Freiberg empfohlen.
Auch dort konnte er sein Gesangstalent weiter ausformen. Allerdings fiel ihm das Erlernen der Altsprachen sehr schwer. Mit Fleiß erreichte er trotzdem gute Lernergebnisse. Zum Verhängnis wurden ihm jedoch sein jugendliches Aufbegehren gegen Ungerechtigkeit und heuchlerische Moral, die zum Zurückversetzen von der Prima in die Untersekunda führten. Dieses Ereignis wurde natürlich dem Vater brieflich mitgeteilt. Nur die Musik konnte wieder einmal Trost spenden.
Die Wirrnisse der Napoleonischen Kriege spülten den jungen Gymnasiasten wieder in die heimatlichen Gefilde zurück. Der Zufall einer Einladung auf eine Hochzeit wollte es, dass er dort die Liebe seines Lebens kennenlernte, Röschen, die liebenswürdige Tochter des reichen Weinhändlers Bohlig.
„Wie eine magische Erscheinung stand sie vor mir, wie ein Bote aus einer anderen Welt, und die allmächtige Liebe zu diesem Mädchen durchloderte wie eine Läuterungsflamme mein Inneres. Oft schon hatte ich geglaubt, zu lieben, jetzt fühlte ich aber zum ersten Mal die ganze Himmelsgewalt eines reinen seligen Liebeserwachens.“
„Mit dem Auge voll seiner Unschuld, voll zärtlicher Glut sah sie mich unaussprechlich an, und eine innige Umarmung schloß und heiligte unseren Bund.“
Allabendlich trafen sich nun die Liebenden heimlich in Bohligs Gartenhäuschen. Der Vater beendete den Müßiggang seines Sohnes, in dem er ihn zum Hennebergischen Gymnasium nach Schleusingen brachte. Dort herrschte unter dem altehrwürdigen Direktor ein „richtiger Takt“, d. h. eine gesunde Atmosphäre des Lernens, sodass nach eineinhalb Jahren Daniel sein Abitur ablegen konnte.
Der Eisenhammer von Elster, König und Keiner, um 1850. (Vorhauer, Ferd., Original im Bestand des Heimatmuseums Benshausen). |
Gebäude des Weinhändlers Bohlig, um 1850. Vorhauer, Ferd., Original im Bestand des Heimatmuseums Benshausen) |
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Rosina (Röschen) Margaretha Bohlig (*30.6.1801 Benshausen †2.7.1834 Benshausen) (Hans Elster) |
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Knabenschule in Suhl. (Archiv Foto-Manig Suhl) |
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Gymnasium am Untermarkt. (Stadtarchiv Freiberg) |
Hennebergisches Gymnasium in Schleusingen. (Archiv Foto-Manig Suhl) |
Studium zwischen Landsmannschaft und Burschenschaft
Als unerfahrener Bursche („Fuchs“) vom Land geriet Daniel zunächst in Leipzig in die Fänge von falschen Freunden, die ihm mit ihrem sogenannten „Studentenleben“ nur das Geld aus der Tasche zogen. In diesen Kreisen war es üblich, geringfügige Missverständnisse als Ehrverletzung hochzuspielen, um dem gekränkten „Satisfaktion“ zu gewähren, d. h. den Verursacher der Ehrverletzung zum Duell mit dem Degen herauszufordern. Also fühlte sich der Neuling verpflichtet, das Fechten zu erlernen, was ihm auch meisterlich gelang. In einem solchen Zweikampf erlitt er allerdings eine erhebliche Gesichtsverletzung, eine sogenannte „Schmarre“ (oder Schmiss). Mit dieser Narbe konnte er niemals eine Kanzel betreten, womit das vorgesehene Theologiestudium unmöglich geworden war, eine Gelegenheit, nun den Herzenswunsch nach einem Musikstudium zu realisieren.
Der Vater verweigerte ihm jedoch die weitere Unterstützung, wenn er nicht Medizin oder Jura studieren würde.
Als vorzüglicher Fechter erlangte er Ruhm und Anerkennung bei seiner Landsmannschaft und wurde Held zahlreicher unsinniger Fehden und Raufereien. Erst durch die Teilnahme am Wartburgfest 1817 (18. Oktober) und dem Kontakt zu den Jenaer Burschenschaften konnte sich Daniel für deren Werte und erstrebenswerten Idealen begeistern und gründete die erste Burschenschaft der Leipziger Studenten, von der er sich wegen der zunehmenden Deutschtümelei und Mittelalterverehrung später wieder trennte.
Er beschloss, sein Studium in Jena fortzusetzen, da er an dieser Universität eine bessere Studienatmosphäre erhoffte.
„Von Jena stieg ein flammender Stern zum Himmel auf, sein Name war ‚Begeisterung‘. Begeisterung der akademischen Jugend für die Freiheit, für Vaterland und für jede schöne Tugend in den Männerherzen.“
Die Ermordung des Schriftstellers August von Kotzebue durch den Studenten Karl Ludwig Sand war der Anlass für die großangelegte sogenannte Demagogenverfolgung, die u.a. auch das Verbot der Burschenschaften zur Folge hatte und die Überwachung der Universitäten durch Kuratoren.
Der einsetzende Polizeiterror bewog den ehemaligen Burschenschafter und seinen engsten Freund Rose, einen abenteuerlichen Fluchtplan mit dem Ziel zu schmieden, am Freiheitskampf des kolumbianischen Volkes unter Simon Bolivar teilzunehmen.
Immatrikulation in Leipzig. (Uni-Archiv Leipzig) |
Historische Ansicht des Campus der Leipziger Universität (Sammlung Fritz Müller) |
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Das Grimmaische Tor mit dem „Platz vor dem Grimmaischen Thore“, 1804. (Foto: H. P. Haack) |
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Anfang März 1818 wurde von Studenten eine Schlägerei mit Polizeisoldaten und Handwerksgesellen am Grimmaischen Tor provoziert. An dieser Auseinandersetzung war Elster nicht beteiligt. Tage zuvor hatten zwei Studenten Daniel Elster aufgelauert und es kam zu einer Prügelei mit entsprechenden Verletzungen. Seine Aussage, dass er nicht am Grimmaischen Tor an der Schlägerei beteiligt war, erschien aufgrund seines Aussehens unglaubwürdig. Über Daniel Elster wurde das „Consilium abeundi“ verhängt. Von Leipzig ging es nun zu Fuß nach Jena, dort wollte er sein Studium beenden und promovieren.
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Historische Ansicht des Campus der Jenaer Universität. (Fritz Müller) |
Ansicht des Campus der Jenaer Universität, um 1980. (Fritz Müller) |
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Auszug aus der Teilnehmerliste des Wartburgfestes. (Jahrbuch des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung 2008) |
Die Burschenfahrt auf die Wartburg am 18. Oktober 1817. (Wartburg-Stiftung Eisenach, Fotothek: G 2693) |
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Im „Feuergericht“ landeten neben reaktionären Schriften ein Korporalsstock, ein Zopf und ein Soldatenschnürleib als Symbole der feudalabsolutistischen Machtverhältnisse. (Sammlung Fritz Müller) |
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„Das Wartburgfest sollte ein Fest Deutschlands werden, der Kern deutscher Jugend wollte das Vaterland vertreten; diese Jugend wollte Mißbräuche abstellen, die das Universitätsleben entwürdigten, wollte vaterländischen Gemeingeist wecken, und zog in Begleitung mehrerer akademischer Lehrer zur Wartburg, ... frisch, frei, fröhlich, fromm!“ (Ludwig Bechstein, Fahrten eines Musikanten) |
Quer durch Westeuropa und gefangen in einer Strafkompanie
Mit einem Gleichgesinnten – von Daniel Rose genannt – verlässt der Student bei Nacht und Nebel Jena, um mit einem Schiff nach Südamerika zu gelangen. Beide vereint die Begeisterung für den Befreiungskampf der Kolumbianer unter Simon Bolivar gegen die spanischen Unterdrücker und der Wille, daran teilzunehmen. Rose erweckt den Eindruck, wohlhabend zu sein, sodass sie trotz relativ kleiner Reisekasse das Wagnis antreten.
Bei einem Zwischenaufenthalt in Benshausen erkennt Daniel, dass ihn sein Vater aufgegeben hat. Auch Röschen fleht ihn an, die abenteuerlichen Pläne aufzugeben.
Die beiden Abenteurer suchen in Holland, England und Frankreich fast mittellos vergeblich nach einer Institution, die ihnen eine Schifffahrt nach Südamerika ermöglicht. Dabei geraten sie sowohl in einen Sturm als auch in eine Matrosenmeuterei auf See.
Trotzdem sich herausgestellt hat, dass Rose nicht wohlhabend ist, lässt sich Daniel immer wieder davon abhalten, nachhause zurückzukehren.
Am Invalidendom übernachtend wurden Daniel und seine Freunde Rose und Röder (letzterer aus Benshausen) als vermeintliche Demagogen festgenommen und vor die Wahl gestellt, entweder in französische Militärdienste oder an die deutsche Polizei ausgeliefert zu werden. Als ehemalige Jenaer Studenten wären sie in Deutschland der sog. Demagogenverfolgung zum Opfer gefallen, sodass die drei das vermeintlich geringere Übel wählten.
So gelangten sie als Rekruten in die berüchtigte Legion de Hohenlohe (Regiment Hohenlohe). In Begleitung eines Sergeanten und einiger Soldaten mussten sie nun zu Fuß halb Frankreich bis nach Toulon „durchwandern“, wo sich der Standort der Legion befand.
Am 15. November 1818 wurden die Legionäre auf einer Brigg übergesetzt, auf der bei totaler Überbelegung unmenschliche Zustände herrschten, die zu Unruhen, Krankheiten und zahlreichen Sterbefällen führten. Nach 19 Tagen wurde endlich das Ziel Korsika und dessen Hauptstadt Ajaccio erreicht. Über steile Gebirgspfade, bei Nässe und Kälte, quälte sich der Trupp nun nach Bastia, wobei Daniel eine lebensgefährliche Erkrankung überstand. In Rogliano wurde er dank seiner musikalischen Begabung Organist und Musikunterhalter. Dank der Freistellung vom Militärdienst wurde ihm das Leben wieder erträglicher. Zwei Fluchtversuche mit Röder scheiterten leider an der Unredlichkeit der Schiffer.
Wiederum gewann Daniel durch seine Musik Freunde, die ihm schließlich ein Krankheitszeugnis besorgten, das für ihn die Entlassung aus dem Militärdienst bedeutete.
Auf der Suche nach einer Überfahrtmöglichkeit nach Südamerika. |
Der Weg führte von Meiningen durch das Werratal nach Kassel, über Paderborn und Münster, weiter über den Rhein nach Vennebrügge (Holland). Nach einem Aufenthalt bei Stipp (Steuerbeamter) ging es mit einer Postfahrt nach Zwolle und Amsterdam, dort war die Reisekasse erschöpft. Nun ging es zu Fuß nach Rotterdam, wo der erwartete Geldbrief für Rose ausblieb. Über Gouda gelangten sie nach Utrecht, dort erhielten sie Hilfe vom Sohn des Prorektors in Form von etwas Geld (2 Louisdor). In Hardenberg wurden sie eine Weile von den dortigen Studenten freigehalten. Nach einem neuerlichen Aufenthalt bei Stipp in Vennebrügge (4 Wochen) wurden sie von Soldaten in Neuhaus arretiert. Nach Zahlung von 100 Gulden durch Stipp kamen sie schließlich wieder frei und fuhren am 20. August 1819 im Wagen nach Zwolle. Ein Angebot von einem Herrn Becker, in dessen Geschäft einzusteigen, wurde von Rose vereitelt. Mit einem Schiff nach Amsterdam erlebten sie einen schweren Sturm auf der Zuider See. Am 23. August 1819 erreichten sie England, erlebten eine Meuterei und erreichten im September auf der Themse London. Dort scheiterte der Versuch, sich für den Dienst des Freistaates Columbien anwerben zu lassen. Am 7. Oktober 1819 landeten die Freunde in Calais, von wo es weiter über Boulogne, Abbeville und Bouvais nach Paris ging.
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Simon Bolivar |
Uniform eines Soldaten des Regiments d‘Hohenlohe, Anfang 19. Jahrhundert. |
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Mit der „Legion de Hohenlohe“ durch Frankreich. |
Bei den Philhellenen
Seit März 1821 stand das griechische Volk im gerechten Kampf gegen die osmanische Fremdherrschaft. Vor allem das Massaker von Chios löste in der Weltöffentlichkeit eine Welle des Entsetzens, der Empörung und des Protestes aus und führte zum Anwachsen der Philhellenenbewegung, vor allem in Europa, die in der griechischen Demokratie das Vorbild für die eigenen Nationen sahen.
Am 24. Oktober 1821 verließen über 400 Philhellenen fast aller europäischen Nationen, darunter 200 Deutsche, den Hafen von Marseille, um mit der Waffe in der Hand an der Seite des griechischen Volkes zu kämpfen. Unter ihnen war auch Daniel Elster. In mehreren Schlachten versorgte er als Doktor-Major die Verwundeten.
Am 19. Mai 1822 wurde das Philhellenen-Bataillon, bestehend aus zwei Kompanien, in Korinth vereidigt, in denen Daniel Elster als Stabsarzt und Doktor-Major diente. Die Philhellenen stießen unter General Friedrich Leberecht, Graf von Normann-Ehrenfels zu einem strategisch wichtigen Hügel nahe dem Dorf Peta vor. Von dort verteidigten sich die 180 Philhellenen gegen eine türkische Übermacht von 7.000 bis 8.000 Mann und vollbrachten wahre Wunderleistungen. Mit ihren zwei Kanonen richteten sie große Verluste unter den Massen der ungedeckten Türken an.
Ihr erfolgreicher Kampf fand eine unerwartete Wende, als die Türken unbemerkt einen Hügel im Rücken der Philhellenen erstiegen. Der Feind nahm Peta ein. Mit einer berittenen Abteilung setzte nun ein Vernichtungsfeldzug ein. Ein erbarmungsloser Straßen- und Nahkampf tobte in Peta. Nur ganze 18 heldenhaft kämpfende Philhellenen, unter ihnen Daniel Elster, entkamen lebend.
In Deutschland erreichte die Nachricht von der „vollständigen Vernichtung“ des Philhellen-Bataillons auch Röschen Bohlig, die den Tod ihres Geliebten vermutete.
Bischof Germanos von Patras proklamierte am 25. März 1821 im Kloster Agia Laura offiziell den Beginn des Befreiungskrieges, welcher für die Griechen recht erfolgreich war. |
Das Massaker von Chios, März 1822 Unter der Bevölkerung wird ein blutiges Gemetzel angerichtet, etwa 23.000 Tote und 47.000 Versklavte sind das grausame Ergebnis. (Eugène Delacroix) |
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Makriyannis & Zografos: Schlacht von Langadas, Kompoti und Peta. (Sammlung Konstantin O. Papailiou) |
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Philhellenenzertifikat (rechts Übersetzung). Auszeichnung für Daniel Elster für seine Teilnahme am Unabhängigkeitskrieg durch die griechische Regierung. (Griechisches Staatsarchiv, Athen) |
Zertifikat Die Unterzeichnenden bescheinigen, dass Dr. Elster Provinz Henneberg Königreich Preußen zu Beginn des Jahres 1822 als Philhellene nach Griechenland kam, und dass er im Philhellenen-Korps als Chirurg-Major diente und mit diesem Korps im Jahre 1822 den Feldzug in Roumelia machte. Herr Elster hat sich stets als Ehrenmann verhalten und sich die Wertschätzung und das Vertrauen des besagten Korps und des taktischen Korps erworben. Athen, 20. Februar 1840 J. Abbati Oberst F. Graillard H. Treiber F. E. Rheineck Oberst |
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Der Weg des Philhellenen-Bataillons. |
Monument für die Gefallenen in der Schlacht bei Peta, 4. Juli 1822. (Pressestelle der Gemeinde N. Skoufas) |
Musiklehrer im Kanton Aargau (Schweiz)
Auf der Flucht, ständig im Kampf gegen Feinde, Krankheit und Todesgefahren, gelangte der Philhellene Daniel Elster über Athen nach Smyrna (heute Izmir) in Kleinasien. Dort nahm sich der französische Konsul seiner an. Sein musikalisches Talent verschaffte ihm Freunde und ein gutes Auskommen. Aber ein Liebesabenteuer nötigte ihn, Smyrna zu verlassen. Mit einem französischen Schiff gelangte er nach Marseille.
Um überleben zu können, gab er auf der Wanderung durch Südfrankreich mit einem französischen Musiker Konzerte. Schließlich erreichte er völlig mittellos Genf und Basel.
Inzwischen war die Nachricht vom völligen Untergang des Philhellenen-Bataillons bei Peta auch nach Benshausen gelangt. Unter den Gefallenen sei auch Daniel Elster. Sein Röschen ließ sich nun endlich auch zur Hochzeit mit dem Arnstädter Kaufmann Wilhelm Schierholz überreden (25. Mai 1828), der sie schon lange Zeit umworben hatte. Davon erfuhr auch Daniel Elster, sodass er im Schmerz beschloss, nie wieder einen Fuß über den Rhein nach Deutschland zu setzen. Er erkor den Kanton Aargau, dessen Landschaft seiner thüringischen Heimat ähnelte, zum neuen Lebensumfeld. Dort nahm er u. a. Musiklehrerstellen am Lippe-Institut in Lenzburg (1823–1825) und in Baden (1825–1828) an. Eine recht lange und produktive Freundschaft entwickelte sich mit dem Musiker und Komponisten Hans Georg Nägeli, einem Förderer des Volksgesangs.
Auch hier in der Schweiz wandte sich Daniel Elster dem Männerchorwesen zu und gründete u.a. den Männerchor der Stadt Baden. Nach dem Vorbild Nägelis wirkte er nach seinem Credo: „Volksgesang, hehre Stimme Gottes“.
Mit der Heimat stand er nur noch lose in Verbindung. Da erreichte ihn plötzlich die Nachricht vom Tod des Vaters (10. Januar 1827). Röschen schrieb ihm außerdem, sie sei seit zwei Jahren Witwe und lebe wieder im elterlichen Haus in Benshausen, weil ihr Gatte ebenfalls gestorben sei. Nun erfasste ihn doch wieder die Sehnsucht nach Röschen und der Heimat. Er brach sofort alle Brücken in der Schweiz ab und reiste überstürzt nach Benshausen.
Röschen um 1825, da war sie noch unglücklich mit dem Kaufmann Schierholz verheiratet. (Bestand des Heimatmuseums Benshausen) |
Zeitgenössische Karte von Aargau. (Staatsarchiv Aargau) |
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Lenzburg, um 1840. (Staatsarchiv Aargau) |
Baden, um 1840. (Staatsarchiv Aargau) |
Hans Georg Nägeli (1773–1836). |
(Alle Historisches Lexikon der Schweiz) |
Michael Traugott Pfeiffer (1771–1849). |
Glückliche Ehe und Männerchöre in Südthüringen
In Benshausen wurde Daniel Elster bei seinem Bruder Gottlob Elster, der die Hammerschmiede des Vaters betrieb, freundlich aufgenommen.
Am 26. Oktober 1828 war es Daniel endlich vergönnt, seine Jugendliebe zu heiraten. Sie lebten nun in Haubinda, wo sie das geerbte Gut verwalteten. Außerdem führten sie die Posthalterei („Sächsisches Haus“) in Hildburghausen, wobei Röschen die Seele des Geschäftslebens war. Ihr Ehemann betätigte sich sowohl schriftstellerisch, kompositorisch und vor allem im Männerchorwesen. Er schrieb „Das Philhellenen-Bataillon“ und „Fahrten eines Musikanten“ und komponierte die Oper „Richard und Blondel“. Gemeinsam mit dem Hildburghäuser Seminarlehrer Hummel schuf er einen Sängerbund. Erste Konzerte fanden in den Kirchen von Eishausen und Hildburghausen statt. Das größte Konzert mit 600 Sängern dirigierte er in der Stadtkirche Meiningen.
Mit seinen Freunden Ludwig Bechstein, Ludwig Storch, dem Buchverleger Conrad Glaser, dem Historiker Forster, Superintendent Holzapfel u.a. traf er sich auch in Benshausen in Bohligs Gartenhäuschen nicht nur zum Weintrinken, es entstanden auch viele Lieder.
Diese glückliche und produktive Zeit endete jäh mit dem Tod von Röschen am 2. Juli 1834. Sie starb an den Blattern (Pocken).
Am 27. Dezember 1835 wurde Daniel Elsters Oper „Richard und Blondel“ unter seiner Leitung am Meininger Hoftheater aufgeführt.
Es erfolgte nun eine sehr ruhelose Zeit als Dirigent an verschiedenen Theatern und als Musikdirektor einer Theatertruppe, wobei er nicht nur vom Beifall des Publikums belohnt wurde, sondern auch unter Neid, Missgunst und Unverständnis von Kollegen und Vorgesetzten leiden musste.
Heutige Ansicht der ehemaligen Posthalterei in Hildburghausen. (Sammlung Fritz Müller) |
Historische Ansicht der ehemaligen Posthalterei in Hildburghausen. (Sammlung Fritz Müller) |
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Daniel Elster. (W. Schmidt.) |
Röschen. (Hans Elster) |
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Gut in Haubinda, Blick zum Herrenhaus. |
Postkutsche vor dem Herrenhaus Haubinda. |
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Plakat mit der Ankündigung von Daniel Elsters Oper „Richard und Blondel“ am Herzoglichen Hoftheater in Meiningen. (Sammlung Fritz Müller) |
Auszug aus dem Sterberegister der Gemeinde Benshausen zum Tode von Röschen. (Evangelisches Pfarramt Benshausen) |
Lehrerbildner und Chordirigent in der Schweiz
In den Jahren 1839–1840 war Daniel Elster als Kapellmeister am Züricher Stadttheater tätig.
In der Schweiz erwartete Daniel Elster eine Überraschung, die sein weiteres Leben entscheidend beeinflusste. Er traf seine ehemalige Lieblingsschülerin Franziska Lang. Knapp einen Monat nach ihrem Wiedersehen heiratete Daniel Elster am 2. Juli 1840 in der Dorfkirche von Otelfingen zum zweiten Male – ein Mann mit Entschlussfreudigkeit! Leider blieb auch die zweite Ehe kinderlos, sodass das Paar später ein Waisenkind annahm.
1843 ließ sich das Ehepaar im Bremgarten (Kanton Aargau) nieder und Daniel Elster war wiederum als Musiklehrer an der Gemeinde- und Bezirksschule Bremgarten und in Muri angestellt. Die Musiklehrerprüfung bestand er mit „Auszeichnung“. Unermüdlich wirkte er für das Musik- und Gesangsleben im Kanton Aargau (Organist, Musik- und Gesangslehrer, Chorleiter). 1844 erschien sein Buch „Die Alte von Livodostro“.
Am 4. Oktober nahm er die Wahl zum Seminarmusiklehrer am Lehrerseminar Lenzburg an und wurde als erfolgreicher Musikpädagoge zum Musikprofessor ernannt. Am Seminar, das bald ins ehemalige Kloster Wettingen verlegt wurde, erfüllte er mit jugendlicher Begeisterung seine Amtspflichten und brachte es sehr schnell dahin, dass Musik in die Reihe der Hauptfächer aufrückte.
Mehrfach erschien er unter den Kunstrichtern bei eidgenössischen Musikfesten. Selbst leitete er den großen Freiämter Sängerbund von 1847 bis 1851 und wirkte maßgebend am eidgenössischen Sängerfest 1851 mit.
Der gebürtige Benshäuser war nun in das gesellschaftliche Leben des Schweizer Kantons Aargau so integriert, dass er am 31. Januar 1849 in einem Brief an die Regierung um Einbürgerung bat. Aufgrund seiner Verdienste wurde ihm 1849 von der Gemeinde Friedlisberg und kurz danach vom Kanton Aargau das Bürgerrecht verliehen. Daniel Elster wurde damit ein Schweizer.
Im Auftrag der aargauischen Erziehungsdirektion gab er 1855 ein Gesangbuch für die Gemeindeschulen des Kantons Aargau heraus. Für Lehrer und Lernende schrieb er das theoretische und praktische Lehrbuch „Schweizerische Gesangsschule“.
Ein Kuraufenthalt 1852 in St. Moritz hinterließ bei ihm schlimme gesundheitliche Folgen, sodass er nur unter Schmerzen unterrichten konnte. Trotzdem dirigierte er am 2. Juli 1857 noch beim Kantonalsängerfest weit über 1000 Sänger, wobei er sich nur Dank eines Geländers aufrecht halten konnte. Am 23. Dezember 1857 verstarb Daniel Elster in Wettingen.
Stadttheater in Zürich. |
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Franziska Lang. (Adolf Haller) |
Otelfingen, heute Rudolfstetten-Friedlisberg. (Erika Feier-Erni) |
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Bremgarten 1830. (Staatsarchiv Aargau) |
Kloster Wettingen. |
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Einbürgerungsbescheid vom Großen Rat des Kantons Aargau. |
Bürgerrecht in Friedlisberg. (Staatsarchiv Aargau, Akte DSC_0554) Infolge heute abgehaltener Bürgerversammlung von Friedlisberg wurde J. D. Elster, gebürtig aus Bennshausen im Königreich Preussen, Seminarlehrer in Wettingen, auf sein Verlangen als Bürger in Friedlisberg aufgenommen zu sein, wirklich als Bürger um die Summe von L. 300, mit Worten Friedlisberg, am 9. Oktbr. 1849 |
Auf den Spuren von Daniel Elster – Ehrungen
1858. Am 8. Mai wurde zu Ehren von Daniel Elster in Bremgarten eine Gedächtnisfeier veranstaltet. Es kamen das Requiem von Mozart und drei Männerchorsätze von ihm selbst: „Trost“ – „Treue“ und „Vaterland“ zum Vortrag.
1931. Am 13. Dezember fand im Hotel „Deutscher Hof“ die Urauffürung des Theaterstückes „Daniel Elster – Ein Heimatspiel in 5 Akten“, verfasst von Karl Weise, statt.
1992. In einem Festvortrag zum 150-jährigen Bestehen des Thüringer Sängerbundes erinnerte der Würzburger Musikwissenschaftler Friedhelm Brusniak die Thüringer Sänger an Johann Daniel Elster als einen Protagonisten der frühen Chorbewegung.
1996. Im September veranstaltete der Thüringer Sängerbund aus Anlass des 200. Geburtstages in mehreren Orten eine „Daniel-Elster-Ehrung“. An einer dieser Veranstaltungen nahm ein Projektchor des Aargauischen Kantonalgesangvereins teil.
1997. Vom 31. Mai bis 2. Juni hielt sich eine Reisegesellschaft des Thüringerwald-Verein Benshausen e.V. im Kanton Aargau/Schweiz auf. Dazu kamen Einladungen an den Geisenhimmelchor zur Mitwirkung am Hasenberg-Sängertag in Spreitenbach und am Gesangsfest des Freiamtes Benzenschwil. Der Aufenthalt der Thüringer wurde durch den Präsidenten des Kantonalsängerbundes Aargau, Herrn Guido Brem, mustergültig vorbereitet.
2007. Anlässlich des 150. Todestages von Daniel Elster wurden unter dem Titel „Fahrten eines Musikanten – ein musikalisch-literarisches Ereignis“ drei Konzerte unter der Gesamtleitung von Matthias Bretschneider (Meiningen) vorbereitet. Die Aufführungen erfolgten in der Christuskirche Hildburghausen (29. September), in der Thomaskirche in Benshausen (30. September) und in der Stadtkirche in Meiningen (14. Oktober).
2011. Am 12. und 13. November wurde das Projekt „Fahrten eines Musikanten“ in Wettingen und Gebenstorf/Aargau unter Beteiligung Schweizer Chöre mit Erfolgwiederaufgeführt.
2014. Am 20. September fand aus Anlass des 218. Geburtstages von Daniel Elster, die feierliche „Neueinweihung“ des Elster-Denkmals in Baden/Schweiz statt. Als der Sportlerchor der Bergfreunde Schmalkalden im November 2011 anlässlich eines Gedenkkonzertes in Wettingen in der Schweiz weilte und das beschädigte Denkmal entdeckte, hatte Günter Werner, Sänger bei den Bergfreunden, die Idee, das Denkmal wieder zu vervollständigen. Auf seine Initiative hin sowie durch Spenden der Stadt Baden, der Gemeinde Benshausen und eines Sponsors, konnten die notwendigen Spenden und Mittel zur Wiederherstellung des Denkmals zusammengetragen werden.
2016. Im Rahmen des Tages des offenen Denkmals am 11. September wurde eine Gedenktafel für Daniel Elster am Grab seiner Frau auf dem Benshäuser Friedhof enthüllt. Mitglieder des Thüringerwald-Vereins und des Meininger Sängerkreises nahmen den 220. Geburtstag des Musikprofessors zum Anlass für diese Ehrung.
2021. Am 20. Juni fand eine Gedenkveranstaltung an die Schlacht von Peta und damit in Verbindung mit den Feierlichkeiten anlässlich des 200. Jahrestages des Beginns des Unabhängigkeitskrieges der Griechen gegen die osmanische Fremdherrschaft statt. Am 20. Juni wurde ein Denkmal zur Erinnerung an Philhellenen enthüllt, die im Kampf gegen die Türken gefallen waren.
2022. Im Parisianou Verlag Athen wird das Buch „Die Abenteuer des Philhellenen Daniel Elster während der griechischen Revolution“ von Konstantin O. Papailiou und Regine Quack-Manoussakis erscheinen.
Bürgermeister Walter Brunngräber und der Vorsitzende des ThüringerwaldVereins Benshausen e.V. Herbert Klett legen am Gedenkstein für Daniel Elster neben der Reformierten Kirche in Baden/Aargau 1997 einen Kranz nieder. |
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Austausch der Grußworte bei der Abendveranstaltung (Chorgesang) im Festzelt in Benzenschwil. Links Bürgermeister Walter Brunngräber, rechts Präsident des Kantonalsängerbundes Aargau, Guido Brem. (Eberhard Mann) | ||
Der Kantonalchor Aargau singt in der Thomaskirche in Benshausen. |
Der Sportlerchor der Bergfreunde Schmalkalden, unter Leitung von Matthias Bretschneider, bringt im Jahre 2011 eine Weise von Daniel Elster an dessen Gedenkstein zu Gehör. |
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Feierliche Enthüllung der Gedenktafel für den Musikprofessor durch Eberhard Mann während der Elster-Ehrung 2016 auf dem Friedhof Benshausen. (Michael Bauroth) |
Die Leistungen und Werke Daniel Elsters (Auswahl)
1823–1825. Musiklehrer in Lenzburg (Lippe-Institut).
1825–1828. Musiklehrer in Baden (Aargau). In dieser Zeit schrieb er „Das Bataillon der Philhellenen, dessen Errichtung, Feldzug und Untergang.“
1826. Gründung des Männerchores Baden.
Ab ca. 1830. Daniel Elster gründet in Zusammenarbeit mit Seminarlehrer Hummel einen Sängerbund, erste Konzerte in Eishausen und Hildburghausen.
28. März 1832. Konzert mit 600 Sängern in der Stadtkirche Meiningen.
27. Dezember 1835. Elsters Oper „Richard und Blondel“ wird am Meininger Theater unter seiner Leitung aufgeführt.
1837. Erstausgabe „Fahrten eines Musikanten“ (Bei Conrad Glaser, Schleusingen).
1837–1839. Daniel Elster wirkt in Bamberg, zunächst als Chordirektor, später als Musikdirektor. Von Bamberg ging es nach Sachsen. In der Theatertruppe unter dem Theaterdirektor Friedrich Jacob Christian Kramer wirkte er als Kapellmeister. In Chemnitz spielte die Theatertruppe im neu eröffneten Schauspielhaus. Vorstellungen in Freiberg, Pirna, Bautzen, Hildburghausen und wohl auch in Zürich schlossen sich an. In Bautzen komponierte Daniel Elster die Operette „Fips“. Anfang 1839 ging die Reise über Leipzig und Braunschweig nach Lüneburg, wo er eine Saison als Theaterkapellmeister arbeitete. Diese Zeit beschrieb er in seinem Buch „Die Leiden eines Kapellmeisters.“
1843. Lehrer und Organist in Bremgarten.
1844. Buch „Die Alte von Livadostro“, Gesangslehrer in Muri.
Februar 1846. Musiklehrer am Lehrerseminar Lenzburg kurz danach erfolgt die Verlegung in das ehemalige Kloster Wettingen, Daniel Elster wird als Musikprofessor berufen.
1847–1851. Leiter des Freiämter Sängerbundes.
1855. Gesangbuch für die Gemeinschulen des Kantons Aargau, Schweizerische Gesangsschule, drei weitere Gesangbücher und ein Buch über den Violinunterricht.
2. Juli 1857. Daniel Elster dirigiert, trotz aller gesundheitlicher Widrigkeiten, ein letztes Mal beim Kantonal-Sängerfest in Aargau über 1.000 Sänger. Er soll gesagt haben „Das war mein letztes Werk, jetzt gehe ich heim und sterbe ...“.
Titelseiten zweier Ausgaben der 1828 erschienenen Schrift „Das Bataillon der Philhellenen“ . (Sammlung Konstantin O. Papailiou) | ||