Objekt des Monats

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Objekt des Monats Oktober 2023 – Der Nachtwächter

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Der Oktober ist bekanntlich der Monat, an dessen Ende in neuerer Zeit nicht mehr nur das Reformationsfest gefeiert wird, sondern wo es auch besonders gruselig zugeht. Der 31. Oktober ist bei uns in Thüringen ein gesetzlicher Feiertag, der Reformationstag, der an die Reformierung der Kirche, an den Beginn der evangelischen Kirche erinnert.

Aber gerade die jüngeren Generationen feiern an diesem Tag etwas anderes, ein Fest, bei welchem es um Spuk und böse Geister geht – Halloween.

Der Begriff „Halloween“ stammt vom Englischen „All hallows’ eve“ ab, die Nacht vor Allerheiligen. Einem alten irischen Brauch nach, erwachen die Geister in der Nacht vom 31. Oktober zum 1. November und suchen nach den Menschen, die sie im nächsten Jahr zu sich ins Totenreich holen wollen. Um sich vor diesen Geistern, den Seelen der bereits Verstorbenen zu verstecken, verkleiden sich die gläubigen Leute. Zur Abschreckung der Geister stellen sie Kerzen und gruselig geschnitzte Kürbisse in die Fenster und vor die Türen.

Dieser Brauch schwappte mit der großen Auswanderungswelle der Iren um die Mitte des 19. Jahrhunderts aufgrund einer verheerenden Hungersnot nach Amerika, wo er in der Folgezeit immer mehr zu einem spaßigen Gruselfest für die Allgemeinheit avancierte und heute in der Form wieder nach Europa zurückgekehrt ist.

Was hat das jetzt alles mit unserem Stadtmuseum zu tun?

Nun ja, erst einmal nicht viel. Doch werden unsere Besucher beim Eintritt in die Dauerausstellung direkt von einem düsteren Gesellen begrüßt, der auf den ersten Blick selbst etwas gruselig erscheint.

Diese Figur stellt einen Nachtwächter dar, der bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts aller Orten des Nachts für Ruhe und Sicherheit zu sorgen hatte. Ausgestattet mit Hellebarde, Laterne und Horn lief er die ganze Nacht durch die Straßen und kontrollierte den ordnungsgemäßen Verschluss der Haustüren und Stadttore, gab Alarm bei Feuer oder feindlichen Angriffen und stellte Diebe. Meist gehörte es auch zu seinen Aufgaben, die Stunden anzusagen bzw. zu singen: „Hört ihr Leut und lasst euch sagen, die Kirchturmuhr hat 12 geschlagen.“ Obwohl er für die Sicherheit der Menschen verantwortlich war, galt der Beruf des Nachtwächters als unehrbar und war, genauso wie der Beruf des Henkers oder Abdeckers, nicht lukrativ. Macher Orten gab es jedoch auch Ausnahmen, so z.B. in Speyer, wo ein wohldotierter „Nachtrath“ mit Stadtratsvollmachten eingesetzt wurde, der des Lesens und Schreibens mächtig war und zuvor einen Feldwebelrang erreicht haben musste.

Die Tradition der Nachtwache wird heute in vielen Städten mit dem Anbieten von Nachtwächter-Rundgängen für Touristen lebendig gehalten. Wirkliche Nachtwächter gibt es aber keine mehr. In Zella und Mehlis gab es bis zum Jahr 1909 noch Nachwachdienste, die durch die Bürger gestellt wurden. Danach übernahmen Polizeibeamte die Nachtwachen.

Unser Nachtwächter trägt einen Umhang (Cape) aus Loden, dicke Lederfilzstiefel und einen großkrempigen Filzhut. Die derbe Kleidung schützt ihn sehr gut vor Kälte, Wind und Nässe. Im Mittelalter war diese Bekleidung besonders wichtig, da es damals keine sanitären Anlagen in den Häusern gab. Man nutzte stattdessen noch den Nachttopf, welcher ab 22:00 Uhr legal aus den Fenstern auf die Straße ausgeleert werden durfte. So konnte es passieren, dass der Nachtwächter als einziger Mensch, der zu dieser Uhrzeit auf der Straße war, den Inhalt abbekam. Nun ja, die Kleidung unseres Nachtwächters ist deutlich jünger und nicht mehr mittelalterlich, sondern ist dem Stil der Nachtwächterbekleidung um 1900 zuzuordnen – zum Glück.

Außer der Kleidung trägt unser Nachtwächter ein Signalhorn, eine Nachtwächterlaterne mit Kerze und eine Hellebarde, also eine Stangenwaffe, bei sich.

Das Signalhorn ist aus Horn gefertigt, leicht gewunden und besitzt ein ausgearbeitetes Mundstück.

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Die Nachtwächterlaterne besteht aus einem Holzgehäuse mit Glasscheiben, hat an der Oberseite einen Durchbruch (Rußabzug) und Stahlbügel zum Tragen. Als Leuchtmittel dient eine Kerze.

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Die Hellebarde, auch Helmbarte genannt, ist eine Hieb- und Stichwaffe, die vorwiegend vom 14. bis 16. Jahrhundert vom Fußvolk genutzt wurde. Unser Exemplar ist jedoch an der einen Seite des Stahlblattes mit der Jahreszahl „1873“ gekörnt. Auf der anderen Seite findet sich ein Monogramm „G.H.“. Der Schaft der Waffe besteht aus Holz, wird aber am unteren Ende mit Stahl verstärkt. Die Stangenwaffe stammt aus der Gegend um Erfurt.

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Diese drei Utensilien gehören zu einem Konvolut, welches dem ehemaligen Heimatmuseum 1963 durch einen Zella-Mehliser Bürger zuging. Nach Aussagen aus der Familie des Übereigners gehörten die Utensilien zu den Ausstattungsgegenständen eines Mehliser Nachtwächters, allerdings ist dies nicht gesichert belegt.

Sicher sagen kann man aber, dass unser Nachtwächter zwar etwas gruselig aussieht, aber seiner Funktion nach eher ein Beschützer der Menschen ist und man also, sofern man selbst nichts Schlimmes im Schilde führt, keine Angst vor ihm haben braucht. Vielleicht fürchten sich jedoch die bösen Geister, die an Halloween durch die Gegend spuken, vor der düsteren Gestalt im Eingangsbereich der Dauerausstellung und meiden daher unser Stadtmuseum. Dann ist das noch ein Grund mehr, uns hier zu besuchen, denn wir haben auch am Feiertag geöffnet!

Funfact: „Nachtwächter“ sagt man umgangssprachlich auch zu einer Person, die unaufmerksam und träge ist, die Situationen nicht richtig zu nutzen weiß und somit als Versager gilt. Auch ein Haufen Kot am Wegesrand oder im Wald bzw. eine menschliche Hinterlassenschaft in der Toilette, die nächtens produziert und erst am nächsten Morgen weggespült wird, nennt man verhüllend einen „Nachtwächter“. (jk)