Objekt des Monats
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Objekt des Monats September 2022 – Harzlachte
Ein Bereich der Ausstellungen des Stadtmuseums widmet sich der Forst- und Waldwirtschaft. Noch bis ins 18. Jahrhundert galt der Thüringer Wald als nahezu undurchdringlicher, einer Vielzahl z.T. heute verschwundenen Tierarten dienender Lebensraum. Das Jagdrecht besaßen allein die Landesherren, welche sich Mitte des 17. Jahrhunderts in Zella St. Blasii zunächst einen Jagdsitz erbauen ließen, der bald als Sitz des Amtes „Schwarzwald“ diente. Den „Wäldlern“ bescherte der Forst, wenn auch landesherrschaftlich reglementiert, neben Kräutern und Früchten vor allem Bau-, Brenn- und Nutzholz. Zahlreiche örtliche Handwerker zogen ihren bescheidenen Nutzen aus den Wäldern. Neben den Köhlern waren Pechsieder (Holzteer), Kienruß- u. Aschebrenner (Pottasche), Schwammsammler (Zunder) und Harzer hier tätig. Besonders den letztgenannten wollen wir mit dem Objekt des Monats ein wenig Aufmerksamkeit widmen.
Noch vor wenigen Jahrzehnten konnte man beim Pilzesammeln oder einfach nur Spazierengehen in unseren Wäldern in einigen Gegenden besondere Bäume entdecken. Wie an dem Beispiel der „Harzlachte“ aus unserem Stadtmuseum gut zu erkennen, waren diese mit fischgrätenartigen Einritzungen versehen, an deren unterem Ende sich ein „Blumentopf“ befand. Die den Bäumen künstlich zugefügten Verletzungen dienten der Harzgewinnung. Das Harz fließt hier von den seitlichen Rillen in die Mittelrille (Tropfrinne) und wird dann in dem Behälter aufgefangen.
Ein Waldarbeiter beim Anlegen der sog. „Lachte“. Der mit speziellen Werkzeugen hergestellten, Harz absondernden Stammfläche mit Rillen, Tropfrinne und Topf.
Neben dieser ehemals weit verbreiteten Art der Harzgewinnung waren in früheren Jahrhunderten noch weiter Techniken verbreitet. So begnügte man sich ehedem damit, die aus natürlichen Verletzungen der Bäume resultierenden Harzausflüssen einfach durch Abkratzen zu gewinnen. Daher kommt auch die Berufsbezeichnung der Harzscharrer.
Der begehrte Stoff wurde regelmäßig eingesammelt und in Form von Harzgrieben oder Harzfladen in die Harzhütten oder Harzöfen gebracht. Auf großen Feuerstellen wurde dort das Harz in großen Kesseln gesotten und durch nasse Säcke gepresst. Je nach Qualität des Produktes erfolgte die Weiterverarbeitung zu Lacken, Firnis, Apothekerware, Schusterpech und Wagenschmiere. Die verbleibenden Rückstände wurden zu Kienruß verarbeitet. Um den wachsenden Bedarf an solchen Produkten befriedigen zu können, ging man zunehmend dazu über, die Bäume gezielt mit verschiedensten Methoden zum Harzen anzuregen. Die rücksichtslose Ausbeutung der Fichten- und Kiefernbestände führte, machte weite Teile des Waldes für die Gewinnung von Nutz- und Bauholz zunehmend wertlos. Zahlreiche Prozesse wurden geführt, in deren Folge spezielle durch die herrschaftlichen Behörden erlassene Regelungen die Harznutzung auf besonders ausgewiesene Gebiete beschränkten. Einige heute noch gebräuchliche Flurnamen, wie der Forstort „Harzwald“ im Gebiet des Rennsteiges zwischen Zella-Mehlis und Oberhof, weisen darauf hin. Um 1500 sind in den Zinslisten des Amtes Schwarzwald noch mehrere solcher Harzwälder beschrieben.
Historische Abbildung verschiedener Werkzeuge und Techniken zur Harzgewinnung.
Mit der zunehmenden Industrialisierung und dem damit verbundene technische Fortschritt, besonders in der chemischen Industrie, wurde die Harzgewinnung zunehmend unrentabel und vielerorts aufgegeben. Lediglich im 1. und 2. Weltkrieg und den folgenden Notjahren, sowie in den von manchem Mangel geprägten DDR-Zeiten wurde das Harz von Fichten, Kiefern in bedeutendem Umfang genutzt. Wie wichtig Harz vor allem in Kriegszeiten war, ergibt sich aus der Zusammensetzung: 20 % Terpentinöl, 70 % Kolophonium (Hartharz) und 10 % Wasser und weitere Stoffe. Das Terpentinöl war u.a. Grundlage für Kampfer und Zelluloid, medizinische Erzeugnisse, Verdünnungs- und Reinigungsmittel. Kolophonium benutzte man bei der Fabrikation von Papier, Wachstuch, Linoleum, Seifen, Fetten, Schusterpech und Druckerschwärze. Auch die Munitionsfabriken benötigten große Mengen Harz für Zünder und Schrapnells.
Heute ist der Beruf des Harzers verschwunden, weil Billiglohnländer die mitteleuropäischen Anbieter verdrängten und synthetisch hergestellte Kunstharze die Naturprodukte ersetzen. (ls)
Quellen:
Marie Luise Gerbing: Thüringen in Wort und Bild, Leipzig, 1910
Liese, J.; Fest,W.: Richtige Arbeitsweise bei der Harzgewinnung, Radebeul 1952
Otto Lueger: Lexikon der gesamten Technik, Stuttgart/Leipzig 1904–1920 (Digitalisat bei Zeno.org)