Zella-Mehlis ist reich an Geschichte!
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Objekt des Monats Mai 2024 – Rasierklingenschärfer
Heute zeigen wir ein interessantes Relikt aus alten Zeiten: den Rasierklingenschärfer „Sieger“ der Firma Gebrüder Schmidt, Zella-Mehlis, den es baugleich auch von anderen Herstellern gab, u.a. mit dem Logo „Siemens“. Ohne scharfe Klinge ist jede Rasur nichts. Neben der Rasurvorbereitung mit Rasierseife, dem gekonnten Einsatz des Rasierwerkzeugs und der Nachbehandlung gereizter Haut mit geeigneten Pflegemitteln ist vor allem die Schärfe der Klinge entscheidend. Denn nur wenn die Klinge scharf ist, schneidet sie einwandfrei und hautschonend. Während ein Rasiermesser vor jeder Rasur geschärft wird, legt man in einen Rasierhobel eine neue Rasierklinge ein, sobald die alte mehr rupft, als schneidet – oder man schärft sie nach. Bis zu den heutigen Einwegrasierern war es ein weiter Weg.
Gerät zum Abziehen bzw. Schärfen des Rasiermessers
Rasieren (von lateinisch rasura „schaben, kratzen“) bedeutet, die Haare mit einer Klinge bis knapp über die oberste Hautschicht abzuschneiden, so dass sie nicht mehr spürbar sind. Die Haare werden dabei nicht entfernt, sondern nur gekürzt. Wie Höhlenmalereien aufzeigen, schabten sich die Menschen bereits vor ca. 25.000 Jahren mit einfachen Werkzeugen die Haare ab.
Die ersten Rasiermesser bestanden aus geschliffenem Feuerstein, Muschelschalen oder Haifischzähnen. Es wurden auch Schaber aus Bronze gefunden. Die alten Ägypter benutzten Messer aus Kupfer oder Gold, beide Metalle waren nicht sehr hart und die Schärfe ließ sicher zu wünschen übrig. Die Römer verwendeten unter anderem Bimsstein. In Südamerika hingegen zupften die Ureinwohner die Haare aus, anstatt sie zu rasieren.
Ursprünglich hatte das Rasiermesser eine feststehende Klinge, aber schon um 1550 v. Chr. sind erste Klappmesser bekannt. Besonders gute Rasiermesser kamen aus den Messermetropolen Solingen und Sheffield. Die Nassrasur der Barthaare erfolgte traditionell beim Barbier mit dem Rasiermesser. Dieser Beruf ist in den meisten Kulturkreisen selten geworden, erlebt aber in jüngster Zeit mit den „Barbershops“ wieder eine Renaissance.
Erst die Erfindung des „Rasierhobels“ mit doppelseitiger Sicherheitsrasierklinge durch King Camp Gillette im Jahre 1901 ermöglichte die tägliche Rasur zu Hause. Im Ersten Weltkrieg wurden diese Geräte von amerikanischen Soldaten in großer Zahl verwendet, um die erstmals eingesetzten Gasmasken luftdicht am Gesicht abzudichten. Später kamen hygienische Gründe hinzu. Nach dem Ersten Weltkrieg gewannen Rasierhobel und Rasierklingen rasch an Verbreitung und Beliebtheit und verdrängten das Rasiermesser.
Klapp-Rasiermesser, Rasierhobel und einfacher Klingenhalter
Früher kostete eine Klinge vielleicht nur 5 bis 10 (Reichs-)Pfennige, aber dafür musste „Mann“ bei dem damaligen Stundenlohn ein Vielfaches mehr arbeiten als wir heute für 10 Euro-Cent. Insofern war eine Klinge für die weniger Begüterten keineswegs ein Wegwerfartikel, sondern wurde nach 5, 7 oder 10 Rasuren nachgeschliffen. In der Folgezeit gab es viele Varianten und Systeme zum Nachschärfen der Klingen
Zwei „Konkurrenzprodukte“ aus unserer Sammlung, der „Rollfix“ (oben) und der „Rotbart Tank“ (unten), jeweils geschlossen und geöffnet
Während bei den meisten, oft auch teureren, Modellen kurbeln muss, funktioniert das Zella- Mehliser Modell „Sieger“ der Gebrüder Schmidt anders. In der Gebrauchsanweisung ist folgendes zu lesen: „Nach dem Öffnen des Apparates wird die Klinge auf die beiden Aufnahmezapfen gelegt und hierauf der Apparat wieder geschlossen. Die zu schärfende Klinge muß sauber und trocken und darf nicht ausgebrochen sein. Das Scharfschleifen der Klinge geschieht folgendermaßen:Der Apparat wird am Schlaufenende der Antriebsschnur aufgehängt; mit der einen Hand wird die Antriebsschnur leicht gespannt und dann der Apparat mit der anderen Hand auf dieser Schnur etwa 15 Mal hin- und hergezogen. …“
Der geöffnete Klingenschärfer mit eingelegter Klinge
So ungefähr hat es funktioniert
Die Außenschalen des Klingeschärfers waren aus Bakelit konnten in mehreren Farbvarianten, schwarz, rotbraun oder marmoriert, erworben werden.
Außenschale aus rotbraunem, marmoriertem Bakelit mit dem Firmenlogo
Eine Hälfte des Spritzwerkzeugs der Fa. Gebr. Schmidt für die Außenschalen
Verschiedene Verkaufsverpackungen für den „Sieger“
Angesichts der heutigen Wegwerfmentalität und der damit verbundenen Forderung nach mehr Nachhaltigkeit hat dieses kleine Stück Rasiergeschichte vielleicht in Zukunft wieder eine Chance. (ls)
Glossar
Museum
"Ein Museum ist eine nicht gewinnorientierte, dauerhafte Institution im Dienst der Gesellschaft, die materielles und immaterielles Erbe erforscht, sammelt, bewahrt, interpretiert und ausstellt. Öffentlich zugänglich, barrierefrei und inklusiv, fördern Museen Diversität und Nachhaltigkeit. Sie arbeiten und kommunizieren ethisch, professionell und partizipativ mit Communities. Museen ermöglichen vielfältige Erfahrungen hinsichtlich Bildung, Freude, Reflexion und Wissensaustausch."
ICOM-Museumsdefinition 2023